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"Symbolpolitik" und "reine Show"

Gegenrede: Christian-Tobias Gerlach (CDU) und Frank Soldan (FDP) lehnen Lützerath-Resolution ab

FDP-Fraktionschef Frank Soldan bei seiner Rede im Rat der Stadt, der dieses Mal im Kulturforum Wienebüttel tagte. Foto: LGheuteLüneburg, 27.03.2023 - Im Rat der Stadt wird gern auch grundsätzlich diskutiert. Etwa über einen Räumungsstopp für das Braunkohledorf Lützerath, obwohl das Dorf längst nicht mehr existiert. So geschehen in der jüngsten Ratssitzung am 23. März. Bemerkenswert: Der Antrag dazu – gestellt von der Gruppe Partei/Linke – ging zwei Tage nach der Räumung von Lützerath im Januar ein, wurde bisher aus zeitlichen Gründen aber nicht behandelt. Doch statt ihn jetzt zurückzuziehen, wurde debattiert. Gegen die geforderte Resolution haben sich der CDU-Politiker Christian-Tobias Gerlach und der FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Soldan ausgesprochen. Hier ihre Gegenreden.

Christian-Tobias Gerlach in der Ratssitzung am 23. März 2023: 

Sehr geehrte Ratsvorsitzende, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich könnte es jetzt kurz machen: Diese Resolution gehört hier und heute nicht her – sie hat es noch nie. Kürzer hätte es nur die Gruppe machen können, in dem sie die Resolution zurückzieht – hat sie aber nicht.

Also machen wir nun etwas Symbolpolitik!

Das kleine, längst unbewohnte Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen ist schließlich auch zu einem Symbol geworden – und außerdem längst geräumt. Es ist ein Symbol geworden für den Unterschied zwischen Klientelpolitik und politischer Verantwortung. Es ist aber auch ein Symbol für die Radikalisierung von sogenannten Klimaschützerinnen und -schützern geworden.

Klimaschutz ist wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ebenso wichtig ist aber auch, wie man Klimaschutz betreibt, um möglichst die breite Masse mitzunehmen! Wer beim Klimaschutz mit Bevormundungen und Gewalt agieren muss, agiert ganz offensichtlich gegen die breite Masse – sonst würde es ohne gehen!

Wer angesichts fliegender Molotowcocktails, Steine und Böller auf Polizeikräfte von Polizeigewalt spricht, hat einiges nicht verstanden – aber die Polizei sollte man nach Ansicht der Initiative "Lützerath lebt!" sowieso besser abschaffen. Ich zitiere hierzu nach übereinstimmenden Medienberichten aus einer Pressemitteilung: "Im Zusammenhang mit Lützerath entlud sich die Polizeigewalt auch gegen weiße privilegierte Demonstrant*innen und bekommt deshalb eine derartige Aufmerksamkeit."

Und weiter: "Mittelfristig müssen wir die Polizei als Organ abschaffen, das in erster Linie die Interessen eines kapitalistischen Systems stützt und dafür immer wieder Gesundheit und Leben von Menschen aufs Spiel setzt."

Das bedeutet dann Anarchie, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was wir dort lesen konnten, sind meines Erachtens schon Umsturzphantasien, die nichts mit demokratischen Werten zu tun haben und nicht auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung fußen.

Ich gebe nun gerne Nachhilfe:

1.) Die Politik hat, demokratisch legitimiert, eine Entscheidung getroffen.
2.) Die Gerichte haben letztinstanzlich über Einwände entschieden.
3.) Die Polizei hat diese abschließenden Entscheidungen umgesetzt.

Ein gutes Beispiel für den Drei-Schritt der Gewaltenteilung, wie sie im Grundgesetzt verankert ist – ob einem das Ergebnis nun gefällt oder nicht!

Dass die Durchsetzung am Ende auch mit Gewalt geschehen musste, ist bedauerlich, aber legal und legitim. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und nicht bei Molli- und Böller-schmeißenden Extremisten.

Wer sich also auf die Demokratie beruft, sollte aufhören, genau diese mit Füßen zu treten! Und wer sich mit ihr anlegt, wird immer auf Gegenwehr stoßen und Konsequenzen zu spüren bekommen!

Ich sage es in aller Deutlichkeit: Diejenigen, die täglich ihre Haut zu Markte tragen, um uns ein sicheres Leben zu ermöglichen – egal ob Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr oder andere Einsatzkräfte –, brauchen insbesondere in schwierigen Zeiten politischen Rückhalt und keine pauschalen Vorverurteilungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Liebe Gruppe,
bringen Sie doch gerne eine Resolution ein, die den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über den Streckbetrieb hinaus oder die Einführung von e-Fuels in Deutschland fordert, dann könnte es passieren, dass wir als CDU-Fraktion sogar mitstimmen!

Diese heute vorgelegte Resolution können wir als CDU-Fraktion nur ablehnen, und exakt das werden wir auch tun! Vielen Dank.

 

Auch der Fraktionsvorsitzende der FDP, Frank Soldan, sprach sich gegen den Antrag aus. Hier Auszüge aus seiner Rede am 23. März:

Am 11. Januar begann die Räumung des Areals. Am 16. Januar war sie beendet. Am 18. Januar ging Ihr Antrag – den Sie nicht mit einem Datum versehen haben – im Ratsbüro ein, also nachdem die Räumung beendet war. Also reine Show.

In Ihrem Antrag fordern Sie uns also zu etwas auf, was längst beendet ist und Sie fordern uns auf, ein höchstrichterliches Urteil einfach zu ignorieren. Sie fordern uns also mit Ihrem Show-Antrag auf, – krass ausgedrückt – uns gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu stellen.

Und auch die in Ihrer Antragsbegründung genannten Argumente ziehen nicht wirklich: Der Deutsche Bundestag beschloss mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken im Sommer 2020 das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz. Dabei wurde die Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II als energiepolitisch und energiewirtschaftlich notwendig festgestellt. Das heißt: Auch die Linken stimmten nicht gegen Garzweiler II, also der Abbaggerung von Lützerath.

Dass diese politische Entscheidung verbindlich ist, kann auch nicht mit der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum Klimaschutz in Frage gestellt werden. Ja, wir brauchen den Kohleausstieg, auf dem Weg dahin bleiben aber gewisse politische Spielräume.

Unser Gesetz verbietet Aktivisten beziehungsweise Demonstranten, die Durchsetzung der rechtlich verbindlich getroffenen Entscheidung gewaltsam zu verhindern.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster stellte am 9. Januar 2023 fest, dass die Räumung ab dem 10. Januar rechtens ist.
"Der unberechtigte Aufenthalt von Personen auf den betroffenen Flächen ist ohne Einwilligung der berechtigten RWE Power AG zivilrechtlich rechtswidrig und stellt damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Das staatliche Gewaltmonopol als Grundpfeiler moderner Staatlichkeit ist einer Relativierung durch jegliche Form des zivilen Ungehorsams grundsätzlich nicht zugänglich. Zur Beendigung des Rechtsverstoßes durfte der Platzverweis angeordnet werden. Der Beschluss ist unanfechtbar."

Wer uns – den Rat der Hansestadt Lüneburg – heute auffordert, einem Antrag, der nach der Veröffentlichung des Urteils des OVG gestellt wurde, zuzustimmen, einem Antrag, der dieses Urteil ignoriert, der fordert den Rat auf, sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staates zu stellen. Das werden wir nicht machen. Die FDP-Fraktion fordert Sie auf, sich eindeutig zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und diesen Antrag zurückzuziehen.


Der Antrag der Gruppe Partei/Linke wurde nach ausführlicher Diskussion mit geänderter Zielsetzung in den Umweltausschuss verwiesen. Dort soll dann über Lüneburgs Unabhängigkeit von der Kohleverstromung diskutiert werden. Wie zu hören, war, kam dieser Vorschlag von den Grünen.