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03 1010 zu Besuch in Lüneburg

Hansestadt, 02.08.2011 - Schwarz und schön steht sie abseits der schnellen Wege und faucht leise vor sich hin: Die Rede ist von Dampflokomotive 03 1010, die sich zur Zeit im norddeutschen Raum aufhält und einen Zwischenstopp in Lüneburg, genauer auf dem Eisenbahngelände "An der Wittenberger Bahn", eingelegt hat. Die 1939 gebaute Schnellzuglokomotive der Deutschen Reichsbahn bereitet sich nach mehreren Touren in Norddeutschland, unter anderem auch mit einer Sonderfahrt nach Lüneburg, hier auf ihre heutige Nachtfahrt vor, die sie nach Hamburg-Altona bringen wird.

Sebastian Bauer, mal Lokführer und mal Heizer auf der Dampflok, hat bereits den Kessel unter Feuer, doch noch ist nicht genau klar, wann das Abfahrtsignal für die betagte Dame kommen wird: "Irgendwann zwischen 2 und 3 Uhr heute Nacht", überlegt Bauer, und wischt sich ein wenig Schweiß von der Stirn. Auf dem Führerstand sind es bei den sommerlichen Temperaturen und Feuer im Kessel schnell mal 30 Grad, trotz offener Fenster und Türen. Bauer sitzt auf seinem Platz auf der linken Seite, der ebenso voll gepackt ist mit Ventilen, Druck-, Temperatur- und Wasserstandsanzeigen wie auf der anderen Seite, wo der Lokführer seinen festen Platz hat und mit Hebeln Fahrt in die tonnenschwere Schönheit bringt. "Hier hat jeder seine Instrumente, und für die ist er auch verantwortlich. Nur ein Instrument, den Kesseldruckanzeiger in der Mitte, und den haben immer beide im Auge."

 

Bauer legt noch ein paar Schaufeln nach, damit das richtige Glutbett entsteht. "Nicht zu viel auf einmal und immer gut verteilen, sonst kann die Glut schon mal ersticken", klärt Bauer auf, der den anstrengenden Job nur in seiner Freizeit ausübt. Hauptberuflich ist er zwar auch Eisenbahner, aber Dampfloks sind nun mal seine Welt. Dafür opfert er auch gern seinen Jahresurlaub und so manches Wochenende, denn als Betriebsvorstand der Ulmer Eisenbahnfreunde e.V. ist er ein viel gefragter Mann in Sachen Dampf. "Das geht leider oft zu Lasten der Familie, aber die hat zum Glück Verständnis dafür".

Eigentlich wollte der Ulmer mit "seiner" 01 1066 die geplanten Touren fahren, doch außerplanmäßige Arbeiten am Fahrwerk des Tenders ließen es leider nicht zu, die vereinseigene Dampflok zu nutzen. Doch sie hatten Glück und konnten eine der seltenen 03 1010 Schnellzugloks von einem befreundeten Eisenbahnverein aus Halle an der Saale einsetzen. "Das Besondere an der 03 1010 sind ihre drei Zylinder, die meisten Dampfloks der Serie 03 haben nur zwei. Das bringt zwar nicht deutlich mehr Geschwindigkeit, aber Dampflokkenner lieben den Klang der drei Zylinder".

Die 03 1010 wirkt erstaunlich gut erhalten trotz ihrer inzwischen 72 Jahre, die sie auf dem Kessel hat. "Kein Wunder, sie hat ja auch erst vor einem Monat einen neuen Stempel in Meiningen erhalten". In Meiningen betreibt die DB das letzte größere Instandsetzungswerk für Dampflokomotiven in Europa. Meiningen ist quasi der TÜV für Dampfloks, die dort alle acht Jahre auf den Prüfstand müssen und - wenn alles passt - das betriebsnotwendige Zertifikat erhalten.

Und so sieht sie auch aus, unsere 03 1010: schön, elegant und sehr verführerisch - zumindest für viele Jungen- und Männerherzen. Nur schade, dass sie heute Nacht ganz still und heimlich Lüneburg wieder verlässt. "Nachts können wir natürlich kein Signal mit der Dampfpfeife ertönen lassen, es sei denn, es ist vorgeschrieben. Aber wir kommen bestimmt bald wieder, und dann auch mit Signal".