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Pastoren kritisieren "Ausspäh-Aktion" des Bauernverbands

Entschuldigung vom niedersächsischen "Landvolk"-Verband gefordert

Bienenbüttel, 19.11.2012 - Einen Sturm der Entrüstung und ein breites Medien-Echo hat der Aufruf des "Landvolk"-Landesbauernverbands Niedersachsen zur Nennung von Pastoren ausgelöst, die sich in Erntedank-Predigten kritisch zur "modernen Landwirtschaft" geäußert hatten. Nach dem Aufruf war nicht nur eine unerwartete Mailflut vieler empörter Pastoren und Bürger beim Landesverband eingegangen. Der "Hannoversche Pfarrverein", offizieller Zusammenschluss von Pastoren aus den Landeskirchen Hannover und Schaumburg-Lippe, hat jetzt auch eine Entschuldigung des Verbands gefordert.

Wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) berichtet, sei die Aktion des "Landvolk"-Verbands von den meisten Pastorinnen und Pastoren als "schlimm und peinlich" empfunden worden. Der Verband hatte seine Mitglieder aufgerufen, Pastoren zu melden, die "unsachliche, teilweise harsche Kritik an den Produktionsmethoden der Landwirtschaft" in ihrer Erntedank-Predigt geäußert hätten. Bei einem Gespräch Anfang 2013 mit Landesbischof Ralf Meister sollte dies dann zur Sprache gebracht werden (LGheute berichtete).

|| Bibelzitate gegen Landvolk-Positionen ||

Den "Landvolk"-Landesverband Niedersachsen erreichte darauf hin eine Flut empörter Mails, darunter viele, die den Positionen des Verbands Bibelzitate entgegen stellten wie diese: "Sie haben alle einen Odem (Atem), und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh“ (Prediger 3,10), oder: "Der Gerechte erbarmt sich seines Viehs, aber das Herz des Frevlers ist unbarmherzig“ (Sprüche 12,10).

Helmut Brachtendorf, Pressesprecher des "Landvolk"-Landesverbands Niedersachsen und Auslöser der Aktion, fühlt sich indes missverstanden. Gegenüber LGheute sagte er: "Das war so nicht gemeint. Natürlich wollen wir niemanden an den Pranger stellen. Uns war nur wichtig zu erfahren, wie die Stimmung vor Ort ist, um darauf reagieren zu können."

Warum dies in einem Gespräch mit Landesbischof Ralf Meister und nicht mit den Betroffenen vor Ort geschehen solle, wollte Brachtendorf so nicht sehen: "Unsere Leute sind ständig vor Ort im Gespräch", sagte der "Landvolk"-Sprecher, der auch versuchte deutlich zu machen, dass viele Bauern "gerade an Erntedank von der zum Teil sehr heftigen Kritik, die von der Kanzel hernieder kam", irritiert gewesen seien.

|| "Einschüchterung und Beeinflussung" ||

Doch mit seinem Aufruf hat der Verband in den Augen vieler deutlich überzogen. Der "Hannoversche Pfarrverein", offizieller Zusammenschluss der Pastoren und Pastorinnen aus den Landeskirchen Hannover und Schaumburg-Lippe, kritisiert das Verhalten des Landesverbands scharf. In einem offenen Brief hat der Vorsitzende des Vereins, Pastor Andreas Dreyer, den Präsidenten des niedersächsischen Landvolks, Werner Hilse, aufgefordert, sich für die umstrittene Erntedank-Aktion öffentlich bei der Pfarrerschaft zu entschuldigen.

Dreyer sieht in der Aktion einen Versuch der Einschüchterung und Beeinflussung. Natürlich, so Dreyer, könne über Predigten und andere öffentliche Äußerungen von Pastoren offen diskutiert werden, auch Predigten seien öffentliche Rede und stünden insofern im freien Diskurs. "Aber die Art und Weise, statt eines direkten Gespräches vor Ort Namen weiterzumelden und den Betroffenen keine Möglichkeit zur Reaktion zu geben, sehen wir nicht als zielführend, sondern als kontraproduktiv und vollkommen unangemessen an", so der Pfarrverein.

|| Kritik der Kirche an Massentierhaltung ||

Wie sich Landesbischof Ralf Meister zu der Situation verhalten wird, ist noch offen. Das "Hamburger Abendblatt" berichtete, dass der Landesbischof auf gute und offene Gespräche mit dem Landvolk verwiesen habe, aber auch darauf, dass die Landessynode ein Positionspapier zur Nutztierhaltung erarbeitet habe, in dem auch die Kritik der Kirche am Trend zu immer mehr Massentierhaltung geäußert wird.

Dass moderne Landwirtschaft und Massentierhaltung nicht nur für die Kirche ein Problem ist, sondern sie oft auch die Bauern selbst in einen Konflikt mit dem eigenen Selbstverständnis von Landwirtschaft bringe, machte der damalige Landessuperintendent im Sprengel Lüneburg, Hans-Hermann Jantzen, deutlich: "Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass Landwirte in solchen Fragen oft in einer schwer erträglichen Spannung zwischen Ökonomie und Ethik stehen."