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"Man muss uns als ernsthafte politische Alternative nehmen"

Hansestadt, 03.03.2012 - Mit Torbjörn Bartels und Tobias Ginschel zog im November letzten Jahres die Piraten-Partei nun auch in Lüneburg ins Stadtparlament ein. Inzwischen haben sich die Politik-Newcomer in die Themen und Abläufe der Ratsarbeit eingeübt und bringen sich auch mit eigenen Positionen in die Tagespolitik ein.

Im Gespräch mit LGheute äußern sie sich zu ihren politischen Zielen und tagesaktuellen Themen.

 

LGheute: Die Piraten-Partei mischt nun auch in der Lüneburger Politik mit. Gestatten Sie mir vorab aber einen Blick auf die Bundesebene. Dort haben sich die Bundes-Piraten jetzt für den Kabarettisten Georg Schramm als neuen Bundespräsidenten ausgesprochen. Wie ernst muss man die Piraten nehmen?

Torbjörn Bartels: Natürlich sehr ernst. Auch wenn viele Etablierte das immer wieder behaupten: Wir sind keine Protestpartei, sondern haben durchaus gute, konstruktive Vorschläge in unseren verschiedenen Programmen.

Tobias Ginschel: Man muss uns als ernsthafte politische Alternative zum jetzigen verkrusteten politischen System nehmen. Denn zurzeit werden junge Menschen - ich spreche hier von der Generation Internet - durch die etablierten Parteien nicht ausreichend repräsentiert.

 

LGheute: Zurück zu Lüneburg. Bei den letzten Kommunalwahlen haben Sie mit der Aufforderung "Klarmachen zum Ändern!" für Ihre Partei geworben und auf Anhieb zwei Plätze im Stadtrat errungen. Was haben Sie in Lüneburg schon ändern können?

Tobias Ginschel: Aufgrund der Tatsache, dass wir Neulinge in der Kommunalpolitik sind, haben wir die ersten drei Monate dazu genutzt, uns in die Strukturen und internen Abläufe der Ratsarbeit einzuarbeiten. Unseren ersten konkreten Antrag haben wir für die Ratssitzung im März eingereicht.

 

LGheute: Und was ist das Thema?

Torbjörn Bartels: Wenig überraschend, eines unserer Kernthemen, nämlich Transparenz. Wir wollen, dass sich der Rat selber bei www.abgeordnetenwatch.de anmeldet. Dies soll ein klares Signal für mehr Transparenz sein und ein erster Schritt auf den Bürger zu.

 

LGheute: Ihr kürzlicher Protest gegen ACTA - dem von der EU geplanten und nun wieder zurückgezogenen Anti-Piraterie-Abkommen - gehört zwar zu den Kernthemen Ihrer Partei, spiegelt aber nicht unbedingt die kommunalen Probleme der Hansestadt wider. Welche Themen liegen Ihnen hier auf der Seele?

Tobias Ginschel: Ein Schwerpunkt unseres kommunalen Engagements liegt in der Stärkung des Ehrenamts. So möchten wir zum Beispiel die niedersächsische Ehrenamtskarte in Lüneburg einführen.

Torbjörn Bartels: Außerdem stehen wir natürlich auch auf kommunaler Ebene stark für Transparenz und Mitbestimmung, zwei weiteren Kernthemen unserer Partei.

 

LGheute: Was bedeutet das konkret?

Torbjörn Bartels: Ein Beispiel dafür ist der oben genannte Antrag an die nächste Ratssitzung. Außerdem beraten wir gerade, wie wir einen guten Antrag zum Thema Open Data ausarbeiten können. Open Data bedeutet, dass Informationen und Materialien (z.B. Kartenmaterial, Bilder), die von der Stadt angefertigt wurden, und somit aus Steuergeldern finanziert wurden, dem Bürger frei zugänglich gemacht werden. Dieser soll sie dann im Idealfall vollkommen frei verwenden dürfen.

 

LGheute: Kürzlich haben Sie sich auch für den Erhalt und sogar den Ausbau des Lüneburger Flugplatzes ausgesprochen und dies mit seiner Bedeutung für die Standortattraktivität Lüneburgs begründet. Wie viele Unternehmen nutzen den Flugplatz denn überhaupt?

Torbjörn Bartels: Laut Aussage des Luftsportvereins sind es derzeit sechs Unternehmen.

 

LGheute: Reicht das aus, um sich für einen Flugplatz einzusetzen?

Torbjörn Bartels: Die sechs Unternehmen alleine sicherlich nicht, aber es geht doch hier auch um viel mehr. Der Flugplatz bietet einem Verein mit aktivem Vereinsleben Heimat, er ist gewachsene Infrastruktur und er ist Startplatz für den Feuerwehrflieger, der jedes Jahr über unsere Heidelandschaft wacht. Das Gesamtpaket sehe ich als durchaus erhaltenswert.

 

LGheute: Dagegen halten die Lüneburger Grünen, dass dieser Flugplatz bei ungünstigen Witterungsbedingungen gar nicht nutzbar sei. Mit ein paar Rasensteinen, die Sie jetzt für den Ausbau der Landebahn vorgeschlagen haben, ist es dann doch eigentlich nicht getan, oder?

Tobias Ginschel: Die Rasengittersteine sollten nicht dazu dienen, den Flugplatz bei allen Witterungsbedingungen nutzbar zu halten, sondern durch den Ausbau sollte der Startvorgang verkürzt und somit der Lärmschutz verbessert werden. Mittlerweile hat sich die Diskussion hierüber erübrigt, da der LVL einen Ausbau der Landebahn für nicht notwendig hält.

 

LGheute: Bleiben wir beim Thema Wirtschaft: In Soltau entsteht jetzt das neue "Design Outlet Center". Lüneburger Händler befürchten, dass dadurch Kaufkraft aus der Stadt abgezogen wird. Mit einem Ausbau des Flugplatzes allein wird man den Standort Lüneburg aber vermutlich nicht attraktiver machen.

Torbjörn Bartels: Natürlich ist der Flugplatz alleine nicht Anziehungsmagnet für Händler, aber ich persönlich finde Lüneburg durchaus attraktiv. Wir müssen aber natürlich schauen, wie sich das Outlet Center auf Lüneburg auswirkt.

 

LGheute: Nun will die Stadt Lüneburg mit dem "Ilmenau-Center II" ihren ansässigen Händlern sogar noch selber zusätzliche Konkurrenz ins Haus holen. Dort will sich ein Elektrogroßmarkt ansiedeln. Auch damit dürfte Kaufkraft aus der Innenstadt abgezogen werden. Muss man damit rechnen, dass bald das "Kaufhaus Lüneburg" geschlossen wird?

Tobias Ginschel: Zuallererst sind wir der Meinung, dass Konkurrenz grundsätzlich das Geschäft belebt. Wir als liberale Partei sind darüber hinaus der Ansicht, dass allein der Bürger entscheiden sollte, wo er seine Einkäufe tätigt.

Torbjörn Bartels: Ich glaube auch, am Ende entscheidet doch der Kunde, wo er einkaufen geht. Ich selber mache das zum Beispiel davon abhängig, wo ich den besten Service bekomme. Das beginnt bei der Beratung und endet bei der Höflichkeit. Stimmt das, kann auch ein neuer Elektromarkt mich nicht davon abhalten, bei den vorhandenen Händlern einzukaufen.

 

LGheute: Inzwischen gibt es Zweifel über die Qualität des sogenannten Lademann-Gutachtens, das eine Gefahr für einen innerstädtischen ruinösen Wettbewerb durch das Ilmenau-Center II nicht erkennen mag. Immerhin ist das Gutachten die Grundlage, nach der im Rat für das Projekt gestimmt wurde. Sollte man nicht besser die Finger von diesem Projekt lassen?

Torbjörn Bartels: Bisher habe ich nur von einer Partei diese Zweifel gehört. Wie oben schon gesagt, entscheidet am Ende der Kunde, wo er hingeht. Andererseits frage ich mich natürlich, warum sich hier noch ein weiterer Elektromarkt ansiedeln möchte.

 

LGheute: Ein anderes Thema, das die Lüneburger beschäftigt, sind die Reiter-Denkmale der Stadt. Wie viel Tradition trauen sich die Piraten bei diesem Thema zu?

Torbjörn Bartels: Ich sehe das Problem hier nicht. Wie ich im Rat schon ausgeführt habe, zeigt mir diese Diskussion aber, dass wir - und damit meine ich nicht nur Lüneburg, sondern ganz Deutschland -  das Thema Nationalsozialismus nie richtig aufgearbeitet haben. Das soll auch kein persönlicher Angriff auf einzelne Personen sein, wie Herr Meihsies in der Ratssitzung scheinbar vermutete, sondern einfach eine persönliche Meinung. Wir sollten diese Denkmale als Mahnmale sehen, um über die Zeit aufzuklären und daran zu erinnern. Denn nur so können wir verhindern, dass sich das Ganze wiederholt.

 

LGheute: Unsere letzte Frage: Wo möchten Sie heute in einem Jahr stehen?

Tobias Ginschel: Dass wir als Bestandteil der Lüneburger Kommunalpolitik akzeptiert sind und es uns gelungen ist, in konstruktiver Zusammenarbeit mit den anderen im Rat vertretenen Parteien einige Punkte unseres Wahlprogramms umgesetzt zu haben.

Torbjörn Bartels: Dem kann ich so nur zustimmen.

 

LGheute: Wir kommen darauf zurück und danken für das Gespräch.

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