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Der schwierige Weg zum Dialog

Die AfD veranstaltete in Lüneburg ihren ersten "Bürgerabend"

Kai Heine (links) im Gespräch mit Guido Reil, Mitglied des AfD-Bundesvorstands. "Foto: LGheuteLüneburg, 14.02.2018 - Kann man mit Politikern der AfD sprechen? Ist die Partei zu einer offenen Diskussion bereit? Und wie steht sie zu umstrittenen Äußerungen einzelner Parteimitglieder? Das wollten gestern Abend Besucher wissen, die ins Lüneburger Glockenhaus gekommen waren. Dorthin hatte der AfD-Landtagsabgeordnete Stephan Bothe zu einem "Bürgerabend Fraktion im Dialog" eingeladen. Mitgebracht hatte er Guido Reil, Mitglied des Bundesvorstands der AfD. Der zeigte sich besonders interessiert an den Fragen der Besucher.

"Lassen Sie sie nur fragen, ich möchte das gern hören", sagte Guido Reil, als Stephan Bothe sich mit dem Saalmikrofon gerade wieder von einer jungen Teilnehmerin abwenden wollte. Sie wollte von dem Essener wissen, wie denn der Bundesvorstand der AfD zusammengesetzt sei und ob er tatsächlich die breite Gesellschaft repräsentiere, wie Reil zuvor behauptet hatte. "Wie viele Frauen sind denn in Ihrem Vorstand?", fragte sie. "Zwei." "Von wie vielen insgesamt?" "Von vierzehn", sagte Reil. "Und damit glauben Sie, die Gesellschaft zu repräsentieren?", fragte die junge Dame nach, wohl ahnend, dass eine Antwort wie diese kommen würde. "Wir setzen nicht auf Quote, sondern auf Qualifikation", antwortete Reil und ließ die Teilnehmerin wissen, dass emanzipierte Frauen keine Quote brauchten.

Ein anderer Teilnehmer, der zu der etwa zehnköpfigen Gruppe junger Menschen gehörte, die erkennen ließen, dass sie der AfD alles andere als nahe stehen, wollte wissen, warum sich die AfD denn wie auf einem Plakat dargestellt so vehemend für Dieselautos ausspreche, schließlich würden jedes Jahr viele Menschen an Dieselabgasen sterben – und traf damit auf einen Nerv des Bundesvorstandsmitglied: "Das ist mein Lieblingsthema". Seit 1990, so Reil, sei der Ausstoß der Stickoxide um 60 Prozent gesunken, Deutschland habe überhaupt nur deshalb diese Diskussion, "weil wir das einzige Land sind, das solche Grenzwerte hat". Ohnehin stelle er sich die Frage, warum der Grenzwert für Stickoxide an einer Straßenkreuzung nur 50 Mikrogramm, am Arbeitsplatz aber 960 Mikrogramm betragen dürfe. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand acht Stunden an einer Kreuzung rumsteht", sagte Reil und erntete auch damit zustimmenden Beifall vieler der rund 40 Teilnehmer des Abends.

Es gab viele Fragen an diesem Abend, etwa, wie die AfD zur Absenkung des Spitzensteuersatzes stehe und ob das von ihr propagierte dreistufige Steuersatzsystem nicht ungerecht sei. Und wie die Partei auf deutsche Soldaten stolz sein könne und wie sie zu rechtsextremen Äußerungen ihrer teils hochrangigen Mitglieder stehe. "Wir sind für viele ein politisches Eldorado, die nicht unbedingt zu uns gehören sollten", versuchte Reil zu erklären. Die Partei sei noch jung und müsse sich noch finden, von den "falschen Leuten" werde man sich noch trennen.  

Beim AfD-Bürgerabend im Glockenhaus diskutierten (v.l.) Stephan Bothe, Guido Reil und Robin Gaberle mit den Teilnehmern. Foto: LGheuteGut zweieinhalb Stunden lang dauerte die Veranstaltung, auf der zuvor neben Reil auch Stephan Bothe und Robin Gaberle, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Stadtratsfraktion in Lüneburg, sprachen. Begleitet wurde die Veranstaltung erneut von Protesten antifaschistischer Gruppen um Olaf Meyer, die sich bereits eine Stunde zuvor mit rund 50 Personen am Glockenhaus aufgestellt hatten. "Ich freue mich deshalb ganz besonders, dass Sie den Weg zu uns geschafft haben", sagte Reil zu den Besuchern, womit er insbesondere die kritischen Teilnehmer meinte. 

Kai Heine war einer, der den Dialog mit der AfD gesucht hatte. Ob sich der Besuch für ihn gelohnt habe? "Es hat auf jeden Fall etwas gebracht", sagte der 18-Jährige, der zuvor immer wieder kritisch nachgefragt hatte. "Ich fand es gut, Fragen stellen zu können." Aber auch die Proteste draußen hält er für wichtig, "ich selber stand dort beim letzten Mal mit einem Plakat". Kritik an dem "Bürgerabend" hatte er aber auch: "Wir werden von den AfD-Politikern noch zu sehr belächelt und nicht ganz ernst genommen." Das äußerte auch eine andere junge Teilnehmerin. Überhaupt kritisierte sie, dass mehr über- statt miteinander diskutiert werde.