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Affront gegen die Kleinen

Debatte im Landtag um Stimmrechtsentzug in den Kommunen löst Kritik bei der FDP Lüneburg aus

Dürfen kleine Fraktionen bei Entscheidungen in den Ausschüssen künftig noch mit abstimmen? SPD und CDU in Hannover wollen das nicht mehr und haben das Gesetz dafür angepasst. Foto: LGheute Hannover/Lüneburg, 24.10.2021 - Wer die Mehrheit hat, bestimmt, wo's langgeht. Das ist politisches Alltagsgeschäft. Ihre Macht der Mehrheit haben nun SPD und CDU im Landtag von Hannover genutzt, das Stimmrecht von kleineren Fraktionen in den Städten und Gemeinden per Kommunalverfassungsgesetz einzuschränken. Dies hat nicht nur den Protest der Opposition im Landtag hervorgerufen, deutliche Kritik kommt auch von der Lüneburger FDP-Stadtratsfraktion. Grund sind Äußerungen eines Landtagsabgeordneten der SPD.

Konkret richtet sich die Kritik der Lüneburger FDP gegen den SPD-Landtagsabgeordneten Bernd Lynack. Er hatte bei der Debatte um die Novellierung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) gesagt, dass die kleineren Fraktionen in den Kommunen"oft gar nicht mehr ihre Anwesenheit in all den Ausschüssen einer Kommune gewährleisten können, weil sie personell komplett überfordert sind."

Dagegen stellt sich Frank Soldan, Vorsitzender der Lüneburger FDP-Stadratsfraktion: "Wir weisen die Aussage des SPD-Landtagsabgeordneten Bernd Lynack als falsch zurück." Die Lüneburger FDP-Fraktion sei "nie bei der Wahrnehmung ihrer Ausschusssitze auch nur ansatzweise personell überfordert" gewesen. "Wir sind die Fraktion, die am seltensten von allen im Rat der Hansestadt vertretenen Fraktionen in Ausschusssitzungen und im Rat gefehlt hat." Und weiter: "Wenn eine Partei ein solches völlig aus der Luft gegriffenes Argument nutzt, um den Einfluss kleiner Fraktionen zu beschneiden, dann sollte sie sich fragen, ob sie bei der Mandatserfüllung personell nicht selbst überfordert ist."

◼︎ Entzug des Stimmrechts soll Entscheidungen beschleunigen 

Worum geht es? SPD und CDU haben mit der von ihnen gewollten und inzwischen beschlossenen Novellierung des NKomVG unter anderem eine neue Sitzverteilung in den Ausschüssen nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren durchgesetzt. Dies führt dazu, dass kleineren Fraktionen künftig nur noch ein Grundmandat in den Ausschüssen zusteht. Sie dürfen sich dann zwar noch zu Themen äußern, ein Stimmrecht haben sie dort dann aber nicht mehr.

"Wir wollen zukünftig die Verwaltung durch die Umstellung des Sitzverteilungsverfahrens in den Ausschüssen zu d’Hondt gezielt entlasten. Je mehr Fraktionen, Gruppen und Einzelabgeordnete, desto höher die organisatorische und finanzielle Aufwendung für die Kommunalverwaltung und desto schwieriger auch eine schnelle Meinungsbildung", begründete Bernd-Carsten Hiebing von der CDU die Änderung. Durch die Änderung werde es "am Ende aber auch zu schnelleren Ergebnissen kommt, und das ist auch eine Entlastung für die kommunale Verwaltung". Im Übrigen würden die Entscheidungen weiterhin im Stadtrat, Kreistag oder Gemeinderat getroffen, und dort seien die kleineren Fraktion auch weiterhin stimmberechtigt, so Hiebing.

◼︎ FDP: Stimmrecht wird umverteilt

Bei FDP und Grünen im Landtag fruchteten diese Argumente durchweg nicht. So verwies der FDP-Parlamentarier Jörg Bode darauf, dass in vielen Kommunen ja gar nicht mehr der Rat oder der Kreistag zu einer Entscheidung komme, "weil die letzte Entscheidung im Verwaltungsausschuss, im Kreisausschuss oder Samtgemeindeausschuss getroffen wird und nach diesem Gesetzentwurf das Stimmrecht dort umverteilt wird". 

Auch das Argument der Entlastung und Beschleunigung von Entscheidungen ließ die Opposition nicht gelten. Der Verlust des Stimmrechts führe vielmehr dazu, dass die nun nicht mehr stimmberechtigten Ausschussmitglieder ihre Argumente künftig in Wortbeiträgen kundtun müssten. Dazu Stefan Birkner (FDP): "Was wird denn bitte schneller, wenn alle Rederecht haben? Natürlich müssen sich alle Kolleginnen und Kollegen vor Ort einbringen, weil sie ihre Meinung nicht mehr mit der Stimmabgabe dokumentieren können, sondern sie ausführlich begründen müssen, damit sie wahrgenommen wird."

◼︎ Wie geht Lüneburg damit um?

Zurück nach Lüneburg. Es dürfte spannend werden, welche Auswirkungen die Novellierung für die Hansestadt haben wird. Denn nach der Kommunalwahl sind künftig die Grünen stärkste Fraktion im Rat. Deren alter und neuer Fraktionsvorsitzender Ulrich Blanck machte aber kürzlich gegenüber LGheute bereits deutlich, dass mit einer Änderung der Hauptsatzung der Stadt die Novellierung umgangen werden könne. So könnte der drohende Stimmrechtsverlust für die kleineren Fraktionen durch eine Anpassung der Anzahl der jeweiligen Ausschussmitglieder vermieden werden (LGheute berichtete).

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar.