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Übler Beigeschmack

24.10.2021 - Wer schon einmal an einer Ausschusssitzung im Rat einer Stadt oder Gemeinde teilgenommen hat, weiß, dass am Ende eines Tagesordnungspunkts in der Regel abgestimmt wird. Dauer: ungefähr eine Minute. Weil dies der rot-schwarzen Landesregierung in Hannover zu lang ist, hat sie den kleineren Fraktionen in den Kommunalparlamenten das Stimmrecht entzogen. Ihr Argument: Damit sollen die Abläufe in den Ausschüssen beschleunigt und die Verwaltung entlastet werden. Geht's noch? 

Die kleineren Fraktionen dürften ja schließlich weiterhin mitdiskutieren, versuchten die Abgeordneten von SPD und CDU ihren umstrittenen Beschluss zur Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes zu rechtfertigen. Ein schwaches Argument. Denn im Gegensatz zur Abstimmung können sich Diskussionen allein zu einem einzigen Tagesordnungspunkt mitunter eine ganze Stunde hinziehen. Nicht selten werden daher von den Ausschusvorsitzenden Zeitfristen gesetzt, um die Debattierfreude etwas einzudämmen. Was sich daran ändern soll, wenn die kleineren Fraktionen kein Stimmrecht mehr haben, bleibt das Geheimnis der Landesregierung. 

Fatal an dem Beschluss ist aber auch, dass die künftigen Abstimmungsergebnisse aus den Ausschüssen ein falsches Bild ergeben können. Wenn nur noch die Großen Stimmrecht haben und diese – der Zufall will es so – auch noch eine Mehrheitsgruppe bilden, könnte es am Ende heißen: einstimmig beschlossen, egal, ob die Kleineren vielleicht dagegen gestimmt hätten. Letztere müssten sich dann jedes Mal vor ihren Fraktionsmitgliedern, Parteifreunden und Wählern rechtfertigen. Aber kümmert das die Großen?

Ein schlechtes Licht wirft der Beschluss auch auf die Additionsfähigkeiten der Verwaltung. Denn das Argument, diese würden durch den Beschluss entlastet, ergibt ja nur dann Sinn, weil sie künftig nicht mehr so viele Stimmen zu zählen brauchen. Denn abgestimmt wird ja weiterhin, nur ohne die Kleinen.

Mit diesem Beschluss haben sich SPD und CDU in den Kommunalparlamenten einen Vorteil verschafft, der ihnen nicht zusteht. Denn warum kleinere Fraktionen in den Ausschüssen nicht mehr das gleiche Recht haben sollen wie die großen, ist nicht nachvollziehbar. An dem Beschluss haftet daher ein übler Beigeschmack, der den beiden "Großen" vielleicht noch bitter aufstoßen kann – dann, wenn die Zustimmung zu ihrer Politik in der Bevölkerung noch weiter sinken sollte und sie dann selbst nicht mehr mitstimmen dürfen. Bevor es aber dazu kommt, wird das Kommunalverfassungsgesetz sicher rechtzeitig geändert. 

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Affront gegen die Kleinen"