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Personal wird zum Zankapfel

Rat verabschiedet trotz starker Defizite den Haushaltsplan für 2022 

Der Rat der Stadt befasste sich im Kulturforum Wienebüttel mit dem Haushalt der Stadt für das Jahr 2022. Foto: LGheuteLüneburg, 31.03.2022 - Lüneburg lebt weiter auf Pump. Mit einem kräftigen Haushalts-Defizit von 9,3 Millionen Euro geht die Stadt in das laufende Jahr. Das wurde gestern bei der Verabschiedung des Haushaltsplans 2022 mit übergroßer Mehrheit der Ratsmitglieder beschlossen, wenn zum Teil auch nur zähneknirschend. Deutliche Kritik an den von Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch vorgelegten Zahlen gab es bei den massiven Personalaufstockungen für die Verwaltung.

"Wir haben ein Paket geschnürt, das den Anforderungen Rechnung trägt", sagte Claudia Kalisch bei der Präsentation der Zahlen im blau-gelb ausgeleuchteten Kulturforum Wienebüttel. Und die Anforderungen, von denen die Oberbürgermeisterin sprach, sind enorm: Sie führen von der geplanten Verkehrswende mit Radverkehrsförderung, urbanem Mobilitätsplan, Einrichtung einer Mobilitätszentrale am Bahnhof und Aufbau eines Lastenfahrrad-gestützten Micro-Depots über den Klimaschutz mit kostspieligen Förderprogrammen der Stadt, der Entsiegelung von Flächen und Unterstützung von Baumpatenschaften bis zur angestrebten Digitalisierung der Verwaltungsarbeit – Projekte, die weitgehend noch vom alten Rat beschlossen worden waren. Hinzu kommen die zum Teil bereits laufenden Sanierungen und Erweiterungen in Schulen und Kitas und in der vorhandenen und zum Teil maroden Verkehrsinfrastruktur. 

◼︎ SPD: "Geld in Projekte, statt in Personal"

Doch genau die aufgeführten Anforderungen waren es, die den Unmut vieler Ratsmitglieder hervorriefen. Denn sie verursachen den zusätzlichen Personalaufwand, unter dem die Verwaltung schon seit Jahren stöhnt. Die Konsequenz der neuen Kalisch-Verwaltung: man brauche mehr Personal.

Diese Notwendigkeit aber sieht Andrea Schröder-Ehlers nicht: "Wir sollten das Geld in Projekte und nicht in Stellen investieren", sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende und führte aus, dass allein in diesem Jahr die Personalkosten um 1,7 Millionen Euro auf 81 Millionen Euro ansteigen werden und im kommenden Jahr nochmals um weitere 5 Millionen Euro. Hinzu kämen Aufwendungen für die Unterbringung und Betreuung der Ukraine-Vertriebenen, die aber im Wesentlichen von Bund und Land getragen würden. "Das ist ein großer Schluck aus der Pulle".

Ins gleiche Horn blies auch Monika Scherf. "Wir haben ein deutliches Ausgabenproblem", sagte die CDU-Fraktionsvorsitzende. Denn trotz der überraschend positiven Entwicklung bei den Gewerbesteuern und den Einkommens- und Ertragssteuern schaffe es die Verwaltung nicht, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Folge: Die Stadt kann die Tilgung der von ihr aufgenommenen Kredite nicht mehr aus den laufenden Einnahmen bedienen und muss deshalb kostspielige Überziehungskredite in Anspruch nehmen. Dass dies nicht lange gut gehen werde, machte Scherf wiederum mit Verweis auf die Gewerbesteuern, der wichtigsten Einnahmequelle der Stadt, deutlich. Hier sieht die CDU-Politikerin schon sehr bald "massive Einbrüche" auf die Stadt zukommen.

◼︎ CDU: "Projekte streichen oder verschieben"

In dieser Situation den Personalbestand drastisch zu erhöhen – die Rede ist von 100 Stellen, die laut Verwaltung neu geschaffen werden sollen sowie 43 weitere für die Ukraine-Vertriebenen –, sei nicht der richtige Weg, so Scherf. Vielmehr sprach sie sich für eine kritische Prüfung der anstehenden Aufgaben aus. Statt mehr Personal einzustellen, müsse die Verwaltung von Aufgaben entlastet werden, "indem anders geplant, neue Prioritäten gesetzt oder Projekte gestrichen werden". 

Dem schloss sich auch die FDP-Fraktion an. Deren Fraktionsvorsitzender Frank Soldan sprach von "Bauchschmerzen", die er angesichts des strukturellen Finanz-Defizits der Stadt bekäme. Und auch für ihn war klar: "Wer Stellen einsparen will, muss Projekte verschieben." Er appellierte zudem an die Verwaltung, den Stellenplan künftig nicht mehr nur im Finanzausschuss zu behandeln, sondern in den Ausschüssen, in denen die Projekte auf den Weg gebracht werden.

◼︎ Benötigte Planstellen immer mit angeben

Darauf drängte auch Alexander Schwake (CDU). Er forderte, dass künftig bei jedem Antrag, der von den Fraktionen gestellt wird, auch die Anzahl der benötigten Personalstellen benannt werde. Zudem sollte vorab geprüft werden, ob die Umsetzung des Projekts mit den vorhandenen Mitteln machbar sei. Schwake, der auch Vorsitzender des Finanzausschusses ist, machte im Zusammenhang mit den neu geplanten Stellen auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: Personal sei nicht nur nicht da, "wir bekommen es auch nicht", sagte er mit Blick auf den leergefegten Arbeitsmarkt für Fachkräfte.

Und noch eine Warnung hatte Schwake im Gepäck. Mit Verweis auf die Inanspruchnahme von Überziehungskrediten durch die Stadt sagte er: "Wenn sich die Zinsen demnächst ändern, gucken wir ziemlich doof aus der Wäsche" – bei 100 Millionen Euro, die gerade als neues Limit für den Dispokredit der Stadt hochgesetzt wurden, sicher kein Pappenstiel. Und mit Blick auf die schon in fünf Monaten beginnenden Haushaltsplanungen für das Jahr 2023 bemerkte Schwake: "Corona- und Ukraine-Krieg-Ausreden lasse ich dann nicht mehr gelten."

◼︎ AfD: "Man macht weiter wie bisher"

Corona und Ukraine-Krieg aber waren letztlich die Gründe, die sowohl bei der SPD als auch bei der CDU dafür sorgten, dem Haushalt doch zuzustimmen. "In Krisenzeiten müssen wir zusammenstehen", sagte Monika Scherf. Auch die FDP stimmte dem mit einigen Änderungen versehenen Haushaltsplan am Ende zu.

Auch Sören Köppen von der Partei Die Basis votierte für die Annahme des Haushaltsplans, regte zuvor aber an, in dieser Situation besser "Politik der kleinen Schritte" und der "spitzen Feder" zu machen. Das Klima-Thema sei zwar wichtig, "aktuell aber nicht ganz so drängend".  

Kritik und Ablehnung des Haushaltsplans kam von der AfD. "Es interessiert die Politik dieser Stadt nicht, ob Geld da ist. Man macht weiter wie bisher", sagte der Fraktionsvorsitzende Robin Gaberle. 

◼︎ Grüne: "Solider Haushaltsplan"

Positive Zustimmung kam erwartungsgemäß von den Grünen. Anders als bisher führte dieses Mal nicht Ulrich Blanck das Wort, sondern Pascal Mennen, den es in den Landtag von Hannover zieht. Er lobte die Verwaltung, sie habe einen "soliden Haushaltsplan" vorgelegt. Das Thema Klima bezeichnete er als "größte Herausforderung der Menschheit", die das zusätzlich benötigte Personal – darunter zwei bei der Oberbürgermeisterin angedockte Stabsstellen, eine für die Betreuung der Sozialen Medien, die andere für das Thema Bürgerbeteiligung – rechtfertigten. Ohnehin sei der Stellenplan "auf das Notwendigste" zusammengekürzt worden.

Mennen hatte auch eine weitere Botschaft parat: Die Stadt müsse "weg vom Kaufhaus Lüneburg", vielmehr solle die Innenstadt wieder zum Wohnen da sein. Wie der Grünen-Politiker die dann wegfallenden Gewerbesteuer-Einnahmen kompensieren will, die für die Finanzierung der zusätzlichen Stellen benötigt werden, sagte er nicht.

◼︎ Gruppe Partei/Linke: Unisex-Toiletten für die Uni

Die Gruppe Die Partei/Linke überraschte mit eigenen Änderungsvorschlägen für Haushalt. So forderte Lukas Bieber (Die Partei) in der Sitzung die Schaffung von Uni-Sex-Toiletten in der Uni, zudem wurden unter anderem öffentliche Toiletten mit Duschmöglichkeiten oder auch die Deckelung von "SUV-Parkgebühren" gefordert, allesamt Anträge, die abgelehnt wurden.

Am Ende stimmte der Rat gegen die Stimmen der AfD für den Haushaltsplan 2022, der nach gut drei Stunden und mehrfachen Unterbrechungen wegen unklarer Änderungsvorschläge für den Stellenplan verabschiedet wurde. 

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar.