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Klientel-Politik

13.06.2022 - Erinnern Sie sich noch an "Urban Gardening"? 2017 war es, als die Stadtverwaltung meinte, mehr Grün in die Stadt bringen zu müssen. Zwanzig Holzkisten ließ sie anfertigen und in der Stadt aufstellen, damit jedermann dort auf einem Quadratmeter seine kleine grüne Idylle pflegen konnte. Nach einem Jahr waren es nur noch fünf Kisten, wenig später waren auch die nicht mehr da. Das gleiche Schicksal dürfte auch dem grünen Projekt der "Essbaren Stadt" blühen, vorausgesetzt, der Rat stimmt diesem Ansinnen zu.

Dass über neue Ideen nachgedacht und diskutiert wird, manches ausprobiert und vieles verworfen wird, weil die Idee meist besser ist als die Wirklichkeit, das ist vollkommen in Ordnung. Lüneburg hat dafür eine eigene Experimentierstube, genannt Leuphana. Dort tummeln sich jede Menge Freigeister, gewohnt, ihre Ideen nicht in der Realität erproben zu müssen. "Urban Gardening" war übrigens schon 2013 Thema während der Leuphana-Konferenzwoche, da sprachen gestandene Soziologen noch davon, dass "Gemeinschaftsgärten den urbanen Lebensraum erobern" (LGheute berichtete).  

Wenn nun aber ein Ratsmitglied fordert, auf den städtischen Grünflächen Gemüse anzubauen, ist das eine andere Kategorie. Denn die Stadt ist eben keine Experimentierstube. Hier sollten ernsthafte Belange und die Lösung von Problemen im Vordergrund stehen, keine Wünsch-Dir-was-Konzepte, deren Halbwertzeiten gegen Null gehen. Zumal die Stadt in dieser Zeit andere Probleme hat, als einen zweiten Aufguss eines bereits als untauglich erwiesenen Projekts zu starten.

Man muss sich daher schon fragen, worin die Ernsthalftigkeit bei diesem Antrag der Grünen besteht. Nur ein Thema in den Ring zu werfen, um der eigenen Klientel zu gefallen, kann es nicht sein. Ein Ratsmitglied ist der ganzen Stadt verpflichtet.  

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Von der Hanse- zur Radieschenstadt"