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Maulkorb-Debatte

09.12.2011 - Sie kam dann doch, die geplante Erhöhung der Aufwandsentschädigungen für die Ratsmitglieder. Dass die Mehrheitsgruppe im Rat nicht vor den Linken einknicken wollte, war abzusehen, doch die Reaktionen seitens der drei großen Fraktionen von SPD, Grünen und CDU fiel überraschend heftig aus. Einheitlich warfen sie dem linken Fraktionschef Michèl Pauly vor, nicht den Weg des Dialogs, sondern den der Bloßstellung gesucht zu haben. Offenbar hatte Pauly einen Nerv getroffen, indem er öffentlich von einer "Lex Meihsies" sprach und eine Selbstbedienungsmentalität der Gruppenführer anprangerte.

Erstaunlich war dabei nur, dass die Kritik weniger an der Sache, sondern vorwiegend an der Person Pauly festgemacht wurde. In den ehrwürdigen Räumen des Rathauses hing daher auch der Begriff des "Nestbeschmutzers" in der Luft. Offenbar wurde dies, als die CDU-Frau Renate Baumgart Pauly vorwarf, den gesamten Rat an den Pranger zu stellen. Auch der Oberbürgermeister wurde deutlich. Er sprach von polemischer Politik, warf Pauly selber aber vor, Funktionsträger anzugreifen und damit der Demokratie zu schaden.

Stop mal! Ist es einem Ratsmitglied, egal welcher Couleur, nicht mehr gestattet, Dinge öffentlich zu äußern, die er nicht vertreten kann? Und wie darf man sich Kritik an Entscheidungen des Rats künftig vorstellen, wenn sie nicht mehr an diejenigen gerichtet werden darf, die sie zu verantworten haben? Dies weckt den Verdacht, hier sollte einem unliebsamen Kritiker ein Maulkorb verpasst werden.

Mädges Vorwurf, Pauly schade der Demokratie, ist aber auch deshalb problematisch, weil damit - frei nach dem Motto "Haltet den Dieb!" - nicht nur von dem eigentlichen Thema abgelenkt und ein Sündenbock für das angekratzte Image des Rats gesucht wird. Problematisch ist, wenn bei Themen wie diesem keine offene Diskussion und Transparenz im Rat mehr möglich ist. So viel zum Thema Politikverdrossenheit.

Ein Gutes hat die gestrige Sitzung aber vielleicht doch noch gebracht: Die Fraktionen von SPD, Grünen und CDU luden die Linken ein, bei künftigen Entscheidungen das Gespräch mit ihnen im Vorfeld zu suchen. Ob es was nützt, wird man sehen.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Rat beschließt Erhöhung seiner Aufwandsentschädigungen"