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Lebenserfahrung

14.11.2016 - In England würde man liebevoll von "good old Tanja" sprechen, geduldig die Widrigkeiten, die mit dem Altern eines manchmal verfluchten, am Ende aber immer doch liebgewonnenen Alltagsbegleiters und Vertrauten einhergehen, ertragen. In Deutschland ist das anders. Hier wird alles, was nicht funktioniert, in der Regel umgehend ausgetauscht, oder, wie im Fall "Tanja", am besten gleich komplett entsorgt. Dass Schüler dann murren, weil sie noch vor Schulbeginn einen langen Umweg in Kauf nehmen müssen, ist verständlich. Doch ist nicht auch das mal eine wichtige Lebenserfahrung, dass nicht alles immer und in gleicher Form verfügbar ist?

Kürzlich legte mir eine gute Freundin einen kleinen Text vor, Titel: Die Kindheit von 1950 bis 1980. Darin ist aufgeführt – einige kennen ihn vielleicht –, wie einfach und normal es damals war, die Umwelt zu entdecken und in sie einzutauchen. Vor allem aber, dass vieles von dem, was heute gelegentlich zu hysterischem Weh- und Anklagen überforderter Eltern führt, damals völlig ohne Belang war, weil es eine Selbstverständlichkeit war. Etwa, dass man beim Klettern vom Baum fallen oder sich an Schubladen die Finger klemmen kann. Dass beim Fußballspiel nur mitmachen durfte, wer auch wirklich gut darin war, und man Fahrrad ohne Helm und manchmal auch freihändig fahren konnte. Dass man zu Freunden ging, wenn man Lust dazu hatte, und nicht, nachdem die Eltern einen passenden Termin im Kalender gefunden hatten. Und wenn nach zu heftigem Spielen oder Prügeln ein Zahn fehlte, war es ärgerlich, aber kein Fall für den Rechtsanwalt oder die Schulaufsicht. 

Mit anderen Worten: Kinder lernen vollkommen selbstverständlich, mit Widrigkeiten umzugehen. Mehr noch: Sie lernen erst durch sie, dass das Leben nicht in gleichmäßigen Bahnen verläuft. Es schadet nicht, diese Erfahrungen schon in jungen Jahren zu machen. Und sei es, dazu mal einen Umweg in Kauf nehmen zu müssen.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Tanja fährt nun doch wieder"