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Werden Altenpfleger jetzt selber zum Pflegefall?

Neue Studie zeigt erhebliche Probleme des Pflegepersonals in Deutschland auf

Lüneburg, 07.05.2013 - Viele Altenpfleger sind erschöpft - etwa jeder Fünfte denkt darüber nach, einen anderen Beruf zu ergreifen. In Pflegeheimen, in denen die Leitungen auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter achten, ist es dagegen nur jeder Zehnte. Das ergab eine Studie des Forschungsnetzes Gesundheit der Leuphana Universität Lüneburg in Kooperation mit dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Mit rund 1.000 befragten Beschäftigten aus der Altenpflegebranche ist die Erhebung die größte Studie zum Thema Gesundheit und Arbeitszufriedenheit des Personals in Pflegeheimen in Deutschland.

"Die Gesundheitssituation des Pflegepersonals in der Region um Lüneburg ist kritisch", sagt Sabine Remdisch, Professorin für Personal- und Organisationspsychologie an der Leuphana. "Daraus resultieren nicht nur viele Krankheitstage, sondern auch ein ausgeprägter Präsentismus, also die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher Beschwerden."

Am häufigsten klagten die Pfleger über psychische Belastungen: 30 Prozent gaben an, sich dauerhaft oder fast täglich müde, angespannt oder überfordert zu fühlen. Rund ein Viertel erklärt, mehrmals pro Woche oder häufiger an Kopfschmerzen zu leiden. Jeder fünfte Befragte berichtet, fast jede Nacht mit Problemen beim Ein- oder Durchschlafen zu kämpfen. Über die Hälfte der befragten Pfleger gab an, im vergangenen Jahr trotz Krankheitsgefühls zweimal oder häufiger zur Arbeit gegangen zu sein - rund ein Drittel sogar gegen den Rat des Arztes.

Als Ursache der Überlastung nannte mehr als die Hälfte der Befragten Personalengpässe und hohen Dokumentationsaufwand. Kraft hingegen schöpften die Altenpfleger nach ihren Angaben aus dem Gefühl, bei der Arbeit etwas Sinnvolles zu tun. "Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass eine gute Führung den Pflegerinnen und Pflegern hilft", betont Remdisch.

Unter den Altenpflegern, deren Vorgesetzte auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter achten - also etwa auf gesundheitliche Warnsignale der Mitarbeitenden reagieren oder selbst in Bezug auf ihr Gesundheitsbewusstsein ein Vorbild sind -, erwägt nur jeder zehnte den Wechsel in einen anderen Beruf. Diese Mitarbeiter stuften ihren Gesundheitszustand auch subjektiv besser ein als die Pflegekräfte der anderen Einrichtungen. "Es lohnt sich also, wenn die Leiter der Pflegeheime auf ihre Mitarbeiter achten", sagt Remdisch. "Angesichts des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels ist es unverzichtbar, dass sie die Bleibemotivation des Pflegepersonals stärken."

Für ihre Studie "Organisationale Gesundheit in der Pflegebranche" im Innovations-Inkubator der Leuphana Universität Lüneburg haben Remdisch und ihr zweiköpfiges Team 1.000 Mitarbeiter in 26 Pflegeheimen im ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg befragt, darunter 500 Altenpfleger, zudem Ergo- und Physiotherapeuten, Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte.

Zudem erhoben sie in Interviews mit den Heimleitungen Fehlzeitenquoten, Fluktuationsraten, Bewohnerstruktur und das Verständnis einer gesunden Unternehmenskultur der Einrichtungsleiter. Jede der untersuchten Pflegeeinrichtungen erhielt bei einer Feedbackveranstaltung an der Universität einen individuellen Ergebnisbericht mit Vergleichswerten zur Gesamtstichprobe.

Zur Zeit besprechen die Wissenschaftlerinnen die Ergebnisse ihrer Untersuchungen jeweils vor Ort mit Heimleitungen und Pflegern. Ab Juni bieten sie den Einrichtungen Workshops an. Weitere Formate wie Seminare oder Gesundheitszirkel sollen folgen.

Das Projekt ist Teil des Regionalentwicklungsprojektes Innovations-Inkubator, mit dem die Leuphana Universität Lüneburg den Transfer von Wissen aus der Universität in Wirtschaft und Gesellschaft in der Region verbessern möchte.