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Große Probleme, wenig Konzepte

Wirtschaft und Politik diskutierten auf dem Sommerfest der IHKLW über Folgen aus dem Krieg in der Ukraine

IHKLW-Präsident Andreas Kirschenmann im Gespräch mit Claudia Major. Foto: Hans-Jürgen WegeLuhmühlen, 29.06.2022 - Wenn es in diesen Tagen um das Thema Wirtschaft und wirtschaftliche Entwicklungen geht, kommt man an dem Krieg in der Ukraine nicht vorbei. So war es auch am Montagabend in Luhmühlen. Dorthin hatte die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) zu ihrem Sommerfest eingeladen. Hauptrednerin war Dr. Claudia Major, die in den vergangenen Wochen in zahlreichen Talkshows durch kenntnisreiche Wortbeiträge aufgefallen war.

Seit Kriegsbeginn erlebe die Welt sicherheitspolitisch einen "disruptiven Wandel von einer Friedens- zu einer Konfliktordnung", sagte Claudia Major zu den rund 400 Gästen, die auf Einladung auf das Turniergelände in Luhmühlen gekommen waren. Als Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik und Mitglied im Beirat zivile Krisenprävention des Auswärtigen Amtes war sie mehrfach schon zu Gast bei "Anne Will" oder "Markus Lanz" und bestach dort immer wieder durch einen unideologischen Blick auf das politische und militärische Geschehen in der Ukraine. 

◼︎ Transformationsprozess längst im Gange

Es brauche im sicherheitspolitischen Bereich weiterhin ein Mindestmaß an Kontakt, um Eskalation und Missverständnisse zu vermeiden, sagte Major an dem Abend in Luhmühlen. Wirtschaftlich aber sei der Transformationsprozess längst in Gange: Unternehmen stellten Lieferketten neu auf und längst arbeiten Politik und Wirtschaft an Konzepten, um die Importabhängigkeit bei Energie aufzulösen.

IHKLW-Präsident Andreas Kirschenmann nannte den russischen Angriffskrieg einen "Anschlag auf den deutschen Mittelstand". Zusammenstehen sei das Gebot der Stunde. Die Versorgungssicherheit bei Gas und Strom stehe "ganz oben auf der Agenda", bei den damit verbundenen Kostensteigerungen bräuchten die Unternehmen einen "fairen Ausgleich zwischen Energieversorgern und Kunden", wobei Kirschenmann mit Kunden hier die wohl in erster Linie die Unternehmen meinte. Zugleich forderte er die Politik auf, endlich schneller zu werden: bei der Planung, bei Entscheidungen und bei Ausschreibungsverfahren.  

◼︎ Kirschenmann: "Wir müssen Verteidigung neu denken"

"Stabilität und Sicherheit sind Basisgüter für die Wirtschaft", sagte Kirschenmann, und manch ein Gast rieb sich verwundert die Augen, schließlich waren es jahrzehnetlang die Unternehmen, die einen recht sorglosen Umgang sowohl mit Russland als auch China gepflegt und stets die Beseitigung von Handelshindernissen mit diesen Ländern durch die Politik gefordert haben. Nun also die Kehrtwende, die bei Kirschenmann so klang: "Wir müssen Verteidigung neu denken, und ich erwarte von Europa dabei ein Signal der Geschlossenheit."

Von der Politik wünscht sich die IHKLW nicht nur eine schnelle Verteilung der im Norden erzeugten grünen Energie mittels Übertragungsnetzen, sondern auch eine Fortführung des Masterplans Digitalisierung. Künftig brauche es aber mehr Koordination, so dass nicht jedes Ministerium seine eigene Digitalisierung betreibe, mahnte IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert an.

◼︎ Althusmann: "Die Lage ist ernst"

Dem konnte Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann mit dem Verweis auf die Verlängerung des Programms Digitalbonus nicht allzu viel entgegensetzen. Er berichtete von seinen jüngsten Reisen in die USA und Brüssel und unterstrich dabei die globalen Herausforderungen, wie die Energiepolitik, aber auch den Fachkräftemangel. "Die Lage ist ernst, wir werden uns alle zusammen sehr anstrengen müssen." 

Dass seitens der Politik durchaus mehr getan werden könne und müsse, machte Dr. Nina Lorea Kley, Geschäftsführerin der Feldbinder Spezialfahrzeuge GmbH aus Winsen (Luhe), klar. Im Gespräch mit Zeinert und Althusmann forderte sie die Stärkung von wohnortnaher Beschulung. Kley, die sich sowohl in der IHKLW-Vollversammlung als auch im Berufsbildungsausschuss der IHKLW engagiert, appellierte an die Politik, die Berufsschulen zu fördern und besser auszustatten.