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IHKs sind Fusion einen Schritt näher

Präsidien für Zusammenschluss – Kritik von CDU-Landtagsabgeordneten – Grüne fordert Befragung

Lüneburg/Hannover, 12.02.2017 - Die umstrittene Fusion der beiden Industrie- und Handelskammern Braunschweig und Lüneburg-Wolfsburg rückt offenbar näher. Auf ihrer gemeinsamen Sitzung haben die Präsidien der beiden Kammern am Donnerstag dieser Woche beschlossen, den von beiden Präsidenten gemeinschaftlich eingebrachten Vorschlag zur Prüfung einer gemeinsamen IHK weiterzuverfolgen. Nun haben die beiden Vollversammlungen das Wort. Sie treten in Lüneburg am 9. März und in Braunschweig am 8. Mai zusammen.

"Der Lenkungsausschuss, bestehend aus den beiden Präsidenten und den Hauptgeschäftsführern, wurde von den Präsidien beauftragt, auf den folgenden Vollversammlungssitzungen beider IHKs Ziele für eine gemeinsame IHK sowie ein Regionalmodell zur weiteren Diskussion und Entscheidung vorzulegen", erklärt Olaf Kahle, Präsident der IHK Lüneburg-Wolfsburg, die nächsten Schritte. 105.000 Mitgliedsunternehmen mit einem Gewerbeertrag von 5,7 Milliarden Euro vereinigen die beiden Industrie- und Handelskammern. Das entspreche einem gemeinsamen Anteil von 21 Prozent an der Wirtschaftsleistung des Landes Niedersachsen.

Erstmals bei einer IHK in Norddeutschland soll ein Modell regionaler IHK-Gremien geprüft werden, in denen direkt von den Mitgliedern gewählte Vertreter Positionen und Forderungen formulieren. Dadurch sollen regionale Nähe und die politische Durchschlagskraft einer größeren IHK miteinander verknüpft werden. "Es geht im Kern darum, die regionale Präsenz auszubauen und Kräfte für unsere Mitglieder zu bündeln, denn wer mit einer Stimme spricht, wird eher gehört", unterstreicht Helmut Streiff, Präsident der IHK Braunschweig, den gemeinsamen Beschluss. "Regionalität ist ein maßgebliches Alleinstellungsmerkmal der IHK-Organisation, sie sichert die Bindung an die Mitgliedsunternehmen und damit das Rückgrat der Selbstverwaltungsorganisation."

Die IHK-Vollversammlung ist das gewählte Parlament der regionalen Wirtschaft. Sie setzt sich aus Branchen-Vertretern aller Regionen zusammen. Viermal im Jahr trifft sich die Vollversammlung, um wirtschaftspolitische Fragen aus dem IHK-Bezirk zu diskutieren und Antworten zu finden. Das Präsidium wird aus der Mitte der Vollversammlung gewählt und unterstützt die Arbeit, indem es wichtige Themen oder erforderliche Beschlüsse der Vollversammlung inhaltlich vorbereitet.

CDU-Landtagsabgeordnete gegen Fusion

Kritik an der Fusion kam unterdesssen von den CDU-Landtagsabgeordneten im Hamburger Umland, das von Stade bis Lüchow-Dannenberg reicht. Die Abgeordneten Karin Bertholdes-Sandrock aus Lüchow-Dannenberg, Kai Seefried/Drochtersen, Helmut Dammann-Tamke/Ohrensen, Heiner Schönecke/Elstorf und André Bock/Winsen schließen sich damit der Position der Landräte aus Stade, Harburg und Lüneburg sowie des Lüneburger Oberbürgermeisters an. Das letzte Wort bei einer solchen Fusion hätte die niedersächsische Landesregierung. Medienberichten zufolge sollen die bisherigen Gespräche wohlwollend durch den niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies begleitet worden sein. Hierfür gibt es bei der Landtagsabgeordneten Karin Bertholdes-Sandrock und ihren Kollegen kein Verständnis.

"Wir fordern die Landtagsabgeordneten von SPD und Grünen in unserer Region, Andrea Schröder-Ehlers und Miriam Staudte, dazu auf, sich bei der Landesregierung und dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium gegen eine solche Fusion einzusetzen", sagt Bertholdes-Sandrock. Die Industrie- und Handelskammern müssten auch zukünftig die Interessen ihrer Unternehmen regional vertreten. Das Hamburger Umland von Stade über Lüneburg bis Lüchow-Dannenberg sei auf Hamburg ausgerichtet. Da passe eine Fusion mit Braunschweig weniger. Der Blick müsse auf die Metropolregion Hamburg gerichtet sein.

"Wir müssen in unseren Wirtschaftsräumen denken und haben hier andere Herausforderungen", argumentieren die Kritiker der Fusion. Der mögliche Zusammenschluss könne sich als schwerer Fehler entpuppen, "besonders wenn eine Vergrößerung der IHK die unmittelbaren Kontakte der Wirtschaftenden erschwere und damit negative Auswirkungen in der Peripherie hat", erklärt Bertholdes-Sandrock.

 Grüne fordert Befragung der betroffenen Unternehmen

Auch die Landtagsabgeordnete Miriam Staudte von den Grünen ist skeptisch gegenüber einer Fusion der Industrie- und Handelskammern. "Unsere Unternehmen im Nordosten sind nach Hamburg orientiert. Bei einer Fusion ist damit zu rechnen, dass die wirtschaftspolitische Ausrichtung der neuen IHK sich verlagert, und zwar nicht im Sinne Nordostniedersachsens."

Staudte hält auch eine alleinige Entscheidung der Vollversammlung, die aus 72 Delegierten besteht, für eine so weitreichende Entscheidung für nicht ausreichend. "Die niedersächsischen Unternehmen in unserem Teil der Metropolregion Hamburg sollten im Falle einer Zustimmung der Vollversammlung zusätzlich befragt werden. Nur wenn sie mehrheitlich einverstanden sind, dürfte der Fusionsprozess weiterverfolgt werden." Staudte verweist auf die Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen. "Sie haben ja gar keine Wahl, sich eine andere Interessenvertretung auszusuchen. Eine Befragung würde die Fusion legitimieren oder eben auch nicht," sagt die Grünen-Politikerin.