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Bettlaken als Zeichen der Not

Tourismusbetriebe fordern mehr Unterstützung von der Politik

Mit herausgehängten Bettlaken machen Turismusbetriebe heute auf ihre Notlage aufmerksam. Foto: Lüneburger Heide GmbHLüneburg, 06.05.2021 - Dem Gastgewerbe in Niedersachsen reicht's. Vielen Betrieben und Unternehmen steht das Wasser bis zum Hals. Seit sechs Monaten sind die touristischen Betriebe geschlossen, viele stehen vor dem finanziellen Aus, nicht alle erhalten staatliche Unterstützung. Die neueste Ankündigung der Landesregierung, den Tourismus ab dem 10. Mai wieder zu öffnen, wird von der niedersächsischen Tourismuswirtschaft zwar begrüßt, die Verordnung werfe aber viele Fragen auf. Mit einer Bettlaken-Aktion macht das Gastgewerbe heute auf seine prekäre Situation aufmerksam.

Um den Tourismus-Anbietern in Niedersachsen mehr Gehör zu verschaffen und in einen konstruktiven Austausch mit den Spitzen der Landesregierung zu kommen, haben sich 20 Verbände, Organisationen und Interessenvertretungen zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, das heute gemeinsam Flagge zeigen will. Darunter die Tourismusregionen des Landes sowie die niedersächsischen Landesverbände der DEHOGA, der Campingwirtschaft, der Landtouristik und der Heilbäder.

Überall im Land werden Hotels und Pensionen, Restaurants und Gaststätten weiße Bettlaken und Tischdecken aus den Fenstern hängen. Auch die Betreiber von Camping- und Wohnmobil-Plätzen machen mit. Vor dem Landtag in Hannover findet um 12.15 Uhr eine zentrale Veranstaltung statt, bei der die Teilnehmer des Bündnisses "Wir zeigen Flagge" ihre Forderungen an die Politik zum Ausdruck bringen. In anderen Städten und Regionen wird es am gleichen Tag weitere Aktionen geben, um auf die Misere der touristischen Betriebe in Niedersachsen aufmerksam zu machen. Dass sich Interessenvertretungen touristischer Betriebe aus fast allen Regionen Niedersachsens zusammenschließen und gemeinsam an die Landespolitik appellieren, ist wohl einmalig in der Geschichte des Landes und zeigt, wie groß die Not der Unternehmen ist.

"Die jetzt von der Landesregierung angekündigte stufenweise Öffnung des niedersächsischen Tourismus ist definitiv ein erster Schritt in die richtige Richtung, es mangelt aber im Detail an Umsetzbarkeit und Klarheit", sagt Ulrich von dem Bruch, Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH. So seien beispielsweise tägliche Tests in Hotelbetrieben überhaupt nicht darstellbar.

Zudem seien einige Einschränkungen, insbesondere dass nur Gäste aus Niedersachsen empfangen werden dürfen ("Landeskinder-Regelung"), völlig realitätsfern. Da jeder Gast einen negativen Test vorlegen müsse, könne es doch gar keine Rolle spielen, ob er aus Niedersachsen, Bremen oder Hamburg komme, so von dem Bruch. "Es gibt noch viele Fragen zu klären. Wir brauchen dringend eine Dialogplattform mit Spitzenvertretern der Politik und Repräsentanten der Tourismuswirtschaft Niedersachsens, um Transparenz herzustellen und kurzfristige, aber auch mittel- und langfristige Schritte zur Sicherung und Weiterentwicklung des Tourismussektors einzuleiten."

Mehr Gerechtigkeit wird auch bei der finanziellen Unterstützung gefordert. "Obwohl 65 Prozent aller Übernachtungen auf den ländlichen Raum entfallen, werden dort nur wenige Betriebe unterstützt. Private und landwirtschaftliche Vermieter von Ferienwohnungen und -häusern, Reiter- und Ferienhöfen, Heuhotels und Hofcafés fallen komplett durchs Raster", erklärt Martina Warnken, Vorsitzende der LandTouristik Niedersachsen.

Selbst unterstützungsberechtigten Hotelbetrieben geht inzwischen die Luft aus. "Die November und Dezember-Hilfen waren für uns eine Nullnummer, weil die Umsätze aus dem Vergleichszeitraum des Vorjahres als Berechnungsgrundlage herangezogen wurden, wir aber an der Nordseeküste keinen nennenswerten Wintertourismus haben", sagt Olaf Stamsen, Hotelier aus Wilhelmshaven. Er wehrt sich vehement gegen die "anhaltende Stigmatisierung des Tourismus als Treiber der Pandemie". Das Beispiel der Schleiregion, die im Rahmen eines Modellprojektes seit zwei Wochen wieder für Urlauber geöffnet ist, zeige eindrucksvoll, dass kontrollierter Tourismus mit guten Konzepten kein Risikofaktor sei, so DEHOGA-Repräsentant Stamsen weiter.

Das Anliegen der Tourismuswirtschaft kann die Politik nicht mehr ignorieren, das zeigt auch die Ankündigung von Ministerpräsident Stephan Weil , an der Veranstaltung in Hannover teilzunehmen und wird sich dort den Forderungen des Aktionsbündnisses zu stellen.

Der Tourismus ist in Niedersachen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. 293.000 Erwerbstätige sind direkt oder indirekt von dem Sektor abhängig. Die Konsumausgaben der Gäste belaufen sich auf mehr als 20 Milliarden Euro, die touristische Wertschöpfung liegt bei rund 12 Milliarden Euro (Quelle: Tourismus-Satellitenkonto Niedersachsen).