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Aufgelesen: "Raketen-WM" trotz Boykott

Warum die WM in Katar die erfolgreichste aller Zeiten werden könnte

Foto: LGheute19.11.2022 - Deutschland ist das Land der Zeichensetzung – weniger grammatikalisch, sondern vor allem moralisch, also entrüstend, empörend, belehrend. Nahezu minütlich wird irgendwo ein Zeichen gesetzt, ganz besonders in diesen Tagen vor der WM in Katar. Da will keiner auf der falschen Seite stehen. Nix da also mit Public Viewing oder TV in der Lieblingskneipe, das ist man den Menschenrechten nun mal schuldig. Und dennoch könnte die WM in Katar die erfolgreichste aller Zeiten werden.

Warum das durchaus so eintreten kann, hat die Zeitschrift "Horizont" herausgearbeitet. Sie gilt als anerkanntes Fachblatt für Marketing, Werbung und Medien und weiß meist sehr genau, welche Unternehmen mit welchen Budgets Sendezeiten für ihre Produkte im bundesdeutschen Fernsehen buchen.

Von einem Boykott sei da jedenfalls wenig zu spüren, bestätigt der Geschäftsführer ZDF Werbefernsehen, Hans-Joachim Strauch, gegenüber Horizont, das ihn mit den Worten zitiert: "Ich bin mir sicher, dass uns eine Raketen-WM bevorsteht." Die Bedingungen seien so gut wie nie.

In diesem Sinne äußert sich auch Strauchs Amtskollege bei der ARD, Uwe Esser. Laut Horizont rechnet der Leiter der TV-Vermarktung mit ähnlich hohen Reichweiten wie zuletzt bei der ebenfalls nicht unumtrittenenen Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Der Verkauf der Werbe-Pakete laufe jedenfalls "sehr lebhaft".

Gründe für den Optimismus der beiden Werbezeiten-Vermarkter bei ARD und ZDF – beide übertragen immerhin 48 Spiele – nennt Horizont auch: Zum einen finde die WM in der kalten Jahreszeit statt, Public Viewing spiele da ohnehin nicht die große Rolle. Außerdem hätten rund 90 Prozent der Deutschen laut einer Studie der Universität Hohenheim auf Public Viewing allein schon wegen Corona verzichtet.

Hinzu komme, dass im Winter die Sehdauer des TV-Publikums stets höher als im Sommer ist. Die Menschen sind früher und häufiger zu Hause und machen es sich auch öfter vor dem Fernseher bequem als an warmen Abenden im Juli. Mit der Folge: Wer die Spiele trotz möglicher moralischer Zweifel trotzdem klammheimlich verfolgen will, kann dies mangels Alternativen nun entspannt vorm eigenen Bildschirm tun.

Womit auch an dieser Stelle mal ein Zeichen gesetzt sei.