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Glockenkonzert über Lüneburg

Die drei Lüneburger Hauptkirchen und die Rathausglocken läuten den Hansetag ein

Hansestadt, 20.05.2012 - Vier Musiker, die sich nicht sehen und nicht hören können, und ein Dirigent, der das Quartett vom Marktplatz per Funk dirigiert. Das sind die personellen Zutaten für ein ganz besonderes Konzert, das am Eröffnungsabend für den Internationalen Hansetag in Lüneburg am 28. Juni 2012 zum ersten und wahrscheinlich einzigen Mal zu erleben ist. Die Musiker sind die Kantoren von St. Johannis, St. Michaelis und St. Nicolai, die die Glocken der drei mächtigen Lüneburger Kirchen anschlagen. Musiker Nummer Vier ist Prof. Günter Schwarze, der mit dem Glockenspiel des historischen Rathauses gegenan klingt.

Am Ende finden sich alle Vier zum versöhnlichen Einklang. Der Jazzmusiker Günter "Baby" Sommer hat das Konzert geschrieben, arrangiert und wird es auch dirigieren. Jetzt trafen sich Sommer und Schwarze zur ersten Probe im Rathaus. Günter Schwarze ist Professor an der Musikhochschule in Dresden und bringt 40 Jahre Erfahrung im Musizieren mit Glocken mit, vor allem mit Glocken aus Meißner Porzellan, wie sie auch das Lüneburger Rathaus schmücken. Er steht am Spieltisch, ein Lautsprecher im Kamin überträgt die Töne der Glocken auf dem Dach in das kleine Nebenzimmer des historischen Fürstensaals. Günter Sommer, wie Schwarze aus Dresden, zückt seine Notenblätter. Und schon sind die Künstler in ihrer Welt. Schwarze spielt Passagen aus dem Stück, hier "breiter", dort "nervöser". Sommer wirft Bemerkungen ein wie "Da ist Zeit genug", "Lass das frei fließen", wünscht sich mal mehr, mal weniger "Tonalität". Einige Passanten unten auf dem Marktplatz wundern sich derweil wohl über die ungewohnten Töne, die an diesem Mittwoch vom Dach des Rathauses klingen. Sonst spielt das Glockenspiel nur festgelegte Lieder zu jeder vollen Stunde.

 

Hausmeister Jürgen Schülke, im Rathaus unter anderem für das Glockenspiel zuständig, steigt zwischendurch mit dem Professor aufs Dach, um Glocken und Glockenstuhl in Augenschein zu nehmen. Es geht um die Vollständigkeit der Instrumente, um einen Termin fürs Stimmen. Und es geht um die Frage, welche Schwingungen die ungewohnte Bespielung über eine knappe Viertelstunde erzeugen kann, vor allem dann, wenn es auch mal schneller wird. Nicht, dass das Bürgergeschenk aus dem Jahr 1956 noch Schaden nimmt. Aber der Glockenspiel-Experte kann Schülke nach der Stippvisite auf dem Dach beruhigen: "Keine Sorge, der Anschlag ist sehr zart."

Bei den Kirchenglocken müssen die Künstler diese Sorge gar nicht erst haben. Dafür sind andere Besonderheiten zu berücksichtigen. Günter Sommer weiß aus den ersten Proben mit den Kantoren, dass vom Anschlagen einer Glocke bis zum Ertönen des Klangs fast eine Minute vergehen kann - von Glocke zu Glocke unterschiedlich. Die Verzögerungen muss er als Dirigent einberechnen. Zumal oft nur eine einzige Glocke zurzeit erklingen soll, später die Glocken sich "unterhalten" sollen. Da braucht es perfektes Timing. Noch schwieriger: Wenn Sommer und die vier Künstler dann am 28. Juni um 18.45 Uhr mit dem viertelstündigen Glockenkonzert starten, spielen sie es zum allerersten Mal gemeinsam. "Eine richtige Probe gibt es vorher nicht", sagt Sommer, "dann hätten es die Lüneburger ja schon gehört."

Dass möglichst viele Menschen am Eröffnungsabend genau hinhören, das allerdings ist Sommers Herzenswunsch. "Das Stück braucht Stille." Andere Musik auf Bühnen und an Buden soll während der Zeit möglichst nicht spielen. Günter Sommer: "Wenn Tausende Menschen sich einfangen lassen und einfach nur zuhören, das wäre das Schönste."

Ein Beitrag von Daniel Steinmeier