header

Warum Ratssitzungen auch prickelnd sein können

Eine Frage einer Studentin über erhöhte Nebenkosten bringt die Grünen in die Defensive

Im Rat der Stadt geht es mitunter munter zu. Foto: LGheuteLüneburg, 30.06.2023 - Ratssitzungen sind nicht immer so trocken und nüchtern, wie ihr Name vermuten lässt. Zumindest nicht die in Lüneburg. Denn hier gibt es Studenten, die sich gern auch Studierende nennen, und die eine Ratssitzung schon mal nutzen, um ihre Klima-, Gender-, Sozial- oder Mobilitäts-Agenden an den Mann oder die Ratsfrau zu bringen. In der gestrigen Ratssitzung aber war es besonders speziell. Es ging ums Geld, und zwar das einer Studentin. Und da hörte der Spaß plötzlich auf.

Sie könne es nicht verstehen, warum sie für ihre Nebenkosten ihres Studenten-Appartments plötzlich 60 Euro mehr zahlen solle. Dies sei nicht leistbar, die Stadt, der Rat, überhaupt alle seien aufgefordert, dies zu verhindern. Das war die Botschaft einer geschätzt 20-Jährigen, die sich als Leuphana-Studentin outete und die in freundlichem Ton in der "Einwohnenenden-Fragerunde", die die Tagesordnung des Rates für jedwede Einlassung jedwedes Bürgers vorsieht, von den über verständnisvoll bis genervt dreinblickenden Ratsmitgliedern – oder heißen sie jetzt Ratende? – Lösungsvorschläge für ihre private Notlage einforderte.

Und die kamen prompt, allen voran von den Grünen, die sich standesgemäß allem Studierenden-klingenden verbunden fühlen. Frau Kabasci verstieg sich dabei jedenfalls zu der Ankündigung, alles dafür zu tun, die Mieten in Lüneburg wieder sinken zu lassen. Dass sie offenbar vergessen hatte, dass es gerade die Grünen sind, die sich seit Jahren jeglichen Bemühungen zur Schaffung neuen Wohnraums in Lüneburg und damit Senkung des hohen Mietniveaus durch allerlei Tricks widersetzten, war nicht weiter schlimm, schließlich gibt es noch Ratsmitgliedernde (?) in den übrigen Fraktionen, die über ein gutes Gedächtnis verfügen.

So war es zunächst Anna Bauseneick (CDU), die es sich nicht nehmen ließ, das "erfreuliche Signal" von den Grünen für mehr Wohnraum dankend aufzunehmen. Ihr folgten Frank Soldan (FDP) mit "schmunzelndem" Wohlgefallen über eben selbiges Signal und schließlich Robin Gaberle (AfD), der in gewohnt frischem Tenor nachlegte und seiner Verwunderung oder doch eher Empörung Ausdruck verschaffte, indem er den Grünen unausgesprochen Verlogenheit vorwarf. O-Ton Gaberle: "Dass es ausgerechnet die Grünen sind, die sich hier hinstellen und das fordern, ist wirklich unfassbar." 

Eine erstaunlich klare Botschaft hatte einzig Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch zu bieten. Ihr Hinweis, dass weder der Rat noch die Stadt wirklich helfen können, weil es sich bei den Wohnheimen um Mietverträge mit einem privaten Vermieter handele, traf den Kern des Problems. Einzig Andrea Schröder-Ehlers (SPD) konnte vermelden, mit Klaus Hoppe, Lüneburgs Allerwelts-Unternehmer in Sachen Uni und Arena, gesprochen zu haben. Ihre Botschaft: Sie habe vernommen, dass die Nebenkosten gedeckelt werden sollen, irgendwie.

Einen Nutzen habe die Leuphana-Studierende, wie sie in der Sitzung sagte, davon allerdings nicht, sie liege vermutlich unterhalb einer solchen Deckelung. Nebenbei: Dass die Nebenkosten gestiegen sind, weil die Energiepreise in Deutschland trotz angeblich günstiger erneuerbarer Energien durch die Decke gehen, wurde leider nicht diskutiert. 

Immerhin: Der jungen Frau gebührt das Verdienst, eine erkenntnisreiche Ratskontroverse angezettelt zu haben, in der die Grünen dann doch mal unfreiwillig Farbe bekennen mussten.