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Zur Strafe nachsitzen

Wegen Formfehler müssen die Ratsmitglieder noch einmal antreten 

Die Ratsmitglieder diskutierten und stimmten ab. Doch einige ihrer Beschlüsse waren am Ende bedeutungslos. Foto: LGheuteLüneburg, 26.03.2021 - Turbulent ging es gestern Abend mal wieder im Rat der Stadt Lüneburg zu. Dieses Mal waren es nicht Aktionen Dritter, die gelegentlich zu Beginn für Unruhe sorgen, es war eine Formalie, die zu einem vorzeitigen Ende der Sitzung führte. Ausgelöst wurde sie vom Fraktionsvorsitzenden der Linken, Michèl Pauly. Seine Intervention führte dazu, dass die Sitzung vorzeitig abgebrochen werden musste – und die bereits gefassten Beschlüsse gleich mehrerer Tagesordnungspunkte damit hinfällig waren.

Es war kurz vor 22 Uhr, als Michèl Pauly darauf aufmerksam machte, dass die festgelegte Sitzungszeit bereits überschritten war. Denn laut Geschäftsordnung des Rates ist die Sitzungsdauer auf drei Stunden begrenzt, zwei davon für die Behandlung von Anträgen und Anfragen des Rates, eine für Belange der Stadtverwaltung. In dringenden Fällen kann um eine halbe Stunde verlängert werden, sofern dies durch den Oberbürgermeister beantragt wird und der Rat dies mit Dreiviertelmehrheit beschließt. Da die offizielle Sitzung nach der vorgeschalteten Bürgerfragerunde erst um 17.50 Uhr begann, hätte also bereits um 20.50 Uhr Schluss sein müssen.

Doch da war der Rat gerade erst bei Tagesordnungspunkt 21, und noch neun weitere Punkte warteten allein im öffentlichen Teil der Sitzung auf Befassung. Für Pauly war das nicht mehr hinnehmbar, er forderte die Beendigung der Sitzung. Dass einige Minuten zuvor Wolf von Nordheim (Grüne) ebenfalls auf das Zeitlimit hingewiesen hatte und es daraufhin auf Anregung von Frank Soldan (FDP) zu der erforderlichen Abstimmung über die Verlängerung der Sitzungsdauer kam, half letztlich nicht. Denn nicht nur wurde die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreicht, auch hätte die Abstimmung darüber deutlich früher stattfinden müssen.

Oberbürgermeister Ulrich Mädge, mit den Tücken und Folgen unkorrekter Ratssitzungen bestens vertraut, sah letztlich keine andere Möglichkeit, als die Sitzung abzubrechen und sie zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen zu lassen. Ihm war bewusst, dass eine ansonsten drohende Beschwerde Paulys bei der Kommunalaufsicht in Hannover zusätzliche Zeit sowie erheblichen Verwaltungsaufwand bedeutet hätte, was Mädge unbedingt vermeiden wollte.

Mit entsprechenden Konsequenzen: So muss ein neuer Termin und freier Sitzungsraum gefunden und die für Online-Veranstaltungen erforderliche Übertragungstechnik erneut bereitgestellt werden. Außerdem müssen die – ehrenamtlichen – Ratsmitglieder nochmals ihre Zeit dafür einbringen – alles zusammen ein nicht unerheblicher organisatorischer, logistischer und finanzieller Aufwand.

Dass zugleich aber auch sämtliche Beschlüsse hinfällig waren, die seit Überschreitung des Zeitlimits gefasst worden waren, sorgte bei vielen Ratsmitgliedern für wahrnehmbaren Verdruss. Sie verließen die Sitzung letztlich in der Hoffnung, in der Folgesitzung auf erneute Diskussionen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten verzichten und endlich beschließen zu können.