header

Angst vor zu viel Demokratie?

Eine geplante Gesetzesänderung in Hannover stößt auf deutliche Kritk bei der Lüneburger FDP

Im Lüneburger Stadtrat dürfen bislang auch die kleineren Parteien noch mitbestimmen. Das aber könnte sich ändern, wenn die von der rot-schwarzen Landesregierung in Hannover eingebrachte Gesetzesänderung umgesetzt wird. Foto: LGheuteLüneburg, 23.09.2021 - Wieviel Demokratie ist von den "großen" Parteien gewollt? Diese Frage stellt sich angesichts einer Gesetzesänderung, die SPD und CDU in den niedersächsischen Landtag eingebracht haben. Darin geht es um eine Umstellung der Berechnung der Sitzverteilung in den kommunalen Ausschüssen, die kleinere Parteien stark benachteiligt. Noch im Oktober soll der Landtag darüber beschließen. Das stößt bei der Lüneburger FDP auf Kritik. 

"Mit dieser Umstellung benachteiligt die SPD/CDU-Landesregierung alle kleineren Fraktionen vor Ort. Sie erhalten dadurch weniger Sitze in den Ausschüssen. Damit hebelt die Landesregierung die Entscheidungen der Wählerinnen und Wähler aus", erklärt Frank Soldan, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Hansestadt Lüneburg.

◼︎ Landesregierung: Kleine Parteien erschweren die Arbeit

Besondere Brisanz erhalte dieses Ansinnen der Landesregierung aufgrund ihrer Begründung, so Soldan weiter. So habe die Landesregierung auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion zu dem Thema mitgeteilt, sie reagiere mit dieser Neuregelung auf "die gestiegene Vielfalt des Parteienspektrums und eine hohe Zahl an Einzelbewerberinnen und -bewerbern und Wählergruppen", die ihrer Meinung nach "die wichtige Aufgabe der Ausschüsse im Rahmen des kommunalen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses zunehmend" erschwere. Man wolle die "Ausschussarbeit durch eine Bündelung des Meinungs- und Entscheidungsprozesses und Straffung der inhaltlichen Befassung effektiver" und funktionsgerecht gestalten. Um welche Schwierigkeiten es sich dabei handelt und wo diese bisher aufgetreten sind, habe die Landesregierung in ihrer Antwort allerdings nicht aufgezeigt, bemängelt der FDP-Politiker.

◼︎ FDP: Wählerwillen ist zu respektieren

"Die Bürgerinnen und Bürger treffen mit ihrer Wahl eine Entscheidung, und es ist eine Frage des demokratischen Grundverständnisses, diese Entscheidung auch ernst zu nehmen", sagt Soldan weiter. Er kündigt entschiedenen Widerstand der FDP hier vor Ort wie auch in Hannover gegen die geplante Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes an. "Die Begründung der Landesregierung, dass dadurch, dass kleinere Fraktionen kein Stimmrecht mehr in Ausschüssen haben sollen, die Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse gestärkt werden soll, weil dann einfacher Mehrheiten zu bilden sind, ist absurd. Wenn der Wähler mehr Diskussionen und weniger absolute Mehrheiten möchte, dann ist das zu respektieren!"

Denn, so FDP-Ratsfrau Birte Schellmann, kommunalpolitisches Engagement in Räten und Kreisstagen gilt anerkanntermaßen als "Schule der Demokratie". Aufgaben vor Ort sind meistens nicht im Bund und den Ländern zu erkennen, sondern werden in den Kommunen in Eigenverantwortung wahrgenommen und geleistet. Deswegen gelte es, die Bürger für ihre eigenen Angelegenheiten zu aktivieren, aber nicht sie zu demotivieren.

Soldan findet den Zeitpunkt der Änderung auffällig: "Bei der Großen Koalition geht offenkundig die Angst um. In Lüneburg haben wir gute Erfahrungen mit der Beteiligung aller demokratischen Parteien gemacht! Jetzt wollen SPD und CDU in Hannover nur wenige Tage vor der Konstituierung des neuen Rates und seiner Ausschüsse mit einem formalen Kniff verhindern, dass die Vielfalt kommunaler Vertretungen in den wichtigen Gremien weiter abgebildet wird. Statt Bürgerbeteiligung zu stärken, sollen hier Pfründe gesichert werden."

Soldan zeigt sich enttäuscht, hofft jedoch, dass CDU und SPD im Landtag doch noch einlenken: "Eine Abkehr von demokratischen Prozessen, noch dazu aus Hannover, ist ein verhehrendes Zeichen, welches die Freien Demokraten zutiefst ablehnen."

◼︎ SPD und CDU im Kreistag lehnen Antrag ab 

Auch im Kreistag ist eine pluralistische Besetzung der Ausschüsse von den Fraktionen SPD und CDU nicht gewünscht. So scheiterte die FDP-Kreistagsfraktion mit einem gemeinsamen Antrag mit Grünen und Linken. Die Fraktionen SPD und CDU hätten den Sachverhalt als nicht dringlich genug befunden, um ihn am Donnerstag auf der Kreistagssitzung zu beraten, teilte die FDP mit.