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Die heikle Sache mit dem Ausschuss

Nicht nur in Berlin, auch in Lüneburg gehen Parteien bei Besetzungen leer aus

Wer wird Vorsitzender, wer darf in welchen Ausschuss? Letztlich entscheidet es der Rat mit Stimmenmehrheit. Foto: Stadt LüneburgLüneburg, 20.12.2021 - Dass Bundestags-Ausschüsse offenkundig mehr sind als gesellige Kaffeekränzchen, ist mit dem erfolgreichen Ausbooten der AfD-Bundestagsfraktion durch den Rest des Berliner Parlaments überdeutlich geworden. Kurzerhand wurden parlamentarische Gepflogenheiten über Bord geworfen und die AfD um den ihr zustehenden Vorsitz im Innenausschuss gebracht – begründet mit der Sorge um die Innere Sicherheit. Und wie sieht es in Lüneburg aus? Hier gibt es zwar keinen Innenausschuss, aber erstaunliche Parallelen. 

Im Rat der Stadt wie in allen niedersächsischen Kommunen läuft es so: Die Fraktionen benennen jeweils zu Beginn einer Wahlperiode die Ausschuss-Vorsitzenden. Je größer die Fraktion, desto mehr Vorsitzende darf sie benennen. Grundlage dafür ist ein gesondertes Zählverfahren, mit dem sichergestellt werden soll, dass sich das Wahlergebnis auch in der Besetzung der Ausschüsse und ihrer Vorsitzenden niederschlägt. 

Das Tückische: Es gibt verschiedene Zählsysteme, darunter das d'Hondtsche Verfahren und das Verfahren nach Hare-Niemeyer. Beide sind zulässig, doch beide führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Grob gesagt bevorzugt das d'Hondtsche Verfahren die größeren Fraktionen. Welches Verfahren in Niedersachsen gilt, legt der Landtag in Hannover fest. Das geschieht immer mal wieder, je nach politischer Konstellation. Zuletzt wurde kurz nach der Kommunalwahl im September auf Betreiben der rot-schwarzen Landesregierung von Hare-Niemeyer auf d'Hondt gewechselt – ein Vorgang, der im Landtag von der Opposition stark kritisiert wurde (LGheute berichtete).

Die Folgen sind nicht unerheblich, wie das Beispiel der Lüneburger FDP-Stadtratsfraktion zeigt. Die Fraktion war zuletzt mit zwei Mandaten im Rat vertreten und hatte Stimmrecht in den Ausschüssen und konnte einen Ausschussvorsitzenden zu benennen, was mit Birte Schellmann als Vorsitzende des Kulturausschusses dann auch geschah.

Bei der Kommunalwahl gewann die FDP Stimmen hinzu und verfügt in der Fraktion nunmehr über drei Mandate. Doch mit der Umstellung auf das d'Hondtsche Verfahren verlor sie ihre Stimmrecht in den Ausschüssen. Worüber dort abgestimmt wird, darf sie von nun an nicht mehr mitentscheiden, obwohl sie mit mehr Mandaten im Rat vertreten ist. Zwar durfte sie den Vorsitz im Schulausschuss übernehmen, bei den Abstimmungen aber ist sie auch dort außen vor.

◼︎ Grüne nicht an Bauauschuss interessiert

Warum sind die Ausschussvorsitze so begehrt? Wer den Vorsitz hat, entscheidet über die Tagesordnung. Was wann wie dem Ausschuss vorgelegt wird, legt der Vorsitzende im Einvernehmen mit der Verwaltung fest. Und in seiner Funktion kann er Einblick in Vorgänge nehmen, die den einzelnen Ausschussmitgliedern so nicht möglich sind. Nicht umsonst gehörte der Vorsitz im Bauausschuss der Stadt stets zu den begehrtesten. Schließlich ist es von nicht geringer Bedeutung, ob und wann über ein neues Baugebiet abgestimmt werden soll.

Übrigens: Dass die Grünen als jetzt stärkste Fraktion im Lüneburger Stadtrat mit ihrem Erstzugriffsrecht nicht auf den Bauausschuss zugriffen, sondern ihn der SPD überließen, legt nahe, dass das Thema Bauen in Lüneburg wohl für eine längere Zeit keine herausgehobene Bedeutung mehr haben wird – zumindest nicht für die Grünen.

◼︎ Jetzt sitzt die Linke dem Innenausschuss vor 

Zurück nach Berlin. Nachdem die Bundestagsabgeordneten des Innenausschusses die Besetzung des Vorsitzenden durch die AfD per Nichtwahl verhindert hatten, ist dort jetzt Petra Pau (Linke) kommissarische Vorsitzende. Über ihre Partei heißt es auf Wikipedia, dass "zahlreiche Indikatoren für linksextremistische Bestrebungen innerhalb der Partei" vorlägen. Und weiter: "Das Bundesamt (für Verfassungsschutz; Anm.d.Red.) machte Anzeichen für linksextremistische Bestrebungen aus, 'insbesondere die uneinheitliche Haltung gegenüber der linksextremistischen Gewalt und die vollumfängliche Akzeptanz von offen extremistischen Zusammenschlüssen in ihren Reihen',die von der Partei finanziell unterstützt würden." 

Und die Wahl von Frank Ullrich (SPD) zum neuen Vorsitzenden des Sportausschusses des Deutschen Bundestags führte bei der Mehrheit der Ausschussmitglieder nicht zu Bedenken, obwohl Ullrich vorgeworfen wird, am Staatsdoping der DDR beteiligt gewesen zu sein (siehe Deutschlandfunk).
 

◼︎ Die Ausschüsse des Rates der Stadt Lüneburg und ihre Vorsitzenden:

  • Ausschuss für Umwelt, Klima, Grünflächen und Forsten: Ralf Gros (Grüne)
  • Ausschuss für Mobilität: Pia Redenius (Grüne)
  • Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Gleichstellung und Ehrenamt: Mareike Panteli (Grüne)
  • Schulgrundsatzausschuss: Pascal Mennen (Grüne)
  • Begleitausschuss Soziale Stadt: Ulrich Blanck (Grüne)

  • Ausschuss für Bauen und Stadtentwicklung: Jens-Peter Schultz (SPD)
  • Ausschuss für Feuerwehr und Gefahrenabwehr: Carmen-Maria Bendorf (SPD)
  • Ausschuss für Sport: Philipp Meyn (SPD)

  • Jugendhilfeausschuss: Vivienne-Janice Widawski (Linke)
  • Begleitausschuss A39: Lukas Bieber (Partei/Linke)
  • Begleitausschuss Zukunftsstadt: Lukas Bieber (Partei/Linke)

  • Ausschuss für Finanzen: Alexander Schwake (CDU)
  • Ausschuss für Wirtschaft, städtische Beteiligungen und Digitalisierung: Wolfgang Goralczyk (CDU)

  • Schulausschuss: Frank Soldan (FDP)