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Leuphana-Planspiele für bessere Gesundheitsversorgung

Hansestadt, 12.10.2011 - Privatisierung etwa von Krankenhäusern führt nicht automatisch zu einer Kostendämpfung und mehr Qualität im Gesundheitswesen. Mehr Erfolg verspricht eine bessere Organisation der Versorgungsprozesse. Dies sind die zentralen Aussagen des 1. Leuphana Gesundheitsgesprächs an der Leuphana Universität Lüneburg, das im Rahmen der Startwoche für die Studienanfänger mit führenden Gesundheitsexperten aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Verbänden und Versicherungen stattfand.

Zwar werde das Gesundheitssystem in Deutschland zunehmend von privaten Anbietern und Initiativen geprägt. Doch seien die vielfach damit verbundenen hohen Erwartungen auf wirksame Kostensenkung bei gleichzeitiger Steigerung der Versorgungsqualität übertrieben. Vielmehr komme es darauf an, mehr Freiheit für die Umsetzung von Verbesserungen im System zu schaffen.

Private Anbieter dringen immer stärker in den Gesundheitssektor vor. Sie betreiben zum Beispiel Kliniken und organisieren Versorgungsnetzwerke. Gestärkt werden sie durch eine Reihe von Gesetzen der mit dem 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Gesundheitsreform. Unternehmerisches Handeln, eine stärkere Marktorientierung und mehr Wettbewerb sollen helfen, die Qualität der Behandlung und Betreuung kranker Menschen zu verbessern und dabei Kosten zu sparen. Zusätzlichen Schub bekommen Privatisierungen durch die Öffnung des europäischen Binnenmarktes für Dienstleistungen.

Gleichzeitig sind die Kosten des Gesundheitssystems in den vergangenen 15 Jahren in Deutschland explodiert, und zwar um 90 Milliarden Euro auf knapp 300 Milliarden Euro. Demografischer Wandel, teure Medizintechnik und damit steigende Leistungsausgaben sind wesentliche Gründe dafür. Sie stellen nach Worten von Prof. Dr. Wulf Rössler von der Leuphana Universität Lüneburg “das Gesundheitssystem vor große Herauforderungen". Ob allerdings weitreichende Privatisierungsmaßnahmen diese Situation entschärfen können, wurde auch von den Experten in Lüneburg kontrovers diskutiert.

Einig waren sie sich jedoch in der Beurteilung, dass eine stärkere Privatisierung des Gesundheitswesens nicht unbedingt zu einer Entlastung des Systems führe. Vielmehr sei die öffentliche Hand gefordert, die Versorgungsprozesse für Patienten zu verbessern. Dafür müsse die Politik den Rahmen schaffen und entsprechende Qualitätsstandards definieren. Ziel müsse es sein, für alle Patienten einen freien Zugang zu medizinischer Versorgung auf einem einheitlichen Qualitätsniveau zu gewährleisten.

Wenig Hoffnung herrscht bei den Experten, dass durch verbesserte Versorgungsprozesse auch die Kosten des Gesundheitssystems gesenkt werden können. Dazu Professor Rössler: “Wir kriegen mehr für das Geld. Es wird damit vielleicht nicht billiger, sicher aber besser."

Das 1. Leuphana Gesundheitsgespräch fand im Rahmen der Startwoche für die Studienanfänger der Leuphana Universität Lüneburg statt. 1.800 Studierende sollen während der Startwoche in einem Planspiel Strategien für eine Reform des deutschen Gesundheitswesens entwickeln. Unterstützt werden sie dabei von fast 100 Vorständen und Führungskräften aus der Gesundheitsbranche sowie von Gesundheitsexperten aus Wissenschaft, Politik und Verbänden. Ziel der Veranstaltung ist es, eine Konsensposition für ein funktionsfähiges neues Modell der Gesundheitsversorgung in Deutschland zu erarbeiten. Die Universität verspricht sich von den Vorschlägen der Studienanfänger überraschende Ansätze für eine grundlegende Reform.