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Tabula rasa für mehr Bahnverkehr

Für den Ausbau der Bestandsstrecke will die Bahn den Lüneburger Bahnhof komplett umgestalten

Was gelb ist, muss weichen: Ein kompletter Umbau des Bahnhofareals wäre aus Sicht der Deutschen Bahn allein in Lüneburg erforderlich, um mehr Züge auf der Bestandsstrecke Hamburg-Hannover unterzubringen. Grafik: Deutsche Bahn AGLüneburg, 17.02.2021 - Vier Jahre Bauzeit, davon allein 27 Monate für den kompletten und weitläufigen Umbau des Lüneburger Bahnhof-Areals – so sehen Überlegungen der Deutschen Bahn AG für den heiß umstrittenen Ausbau der Bestandsstecke Hamburg-Hannover aus, sollten sie denn so kommen. Denn noch ist dies lediglich eine von mehreren Szenarien, die von dem Unternehmen durchgespielt werden. Von den Verwaltungsspitzen von Stadt und Landkreis Lüneburg kam postwendend Kritik. 

"Wenn die Planer damit nur einmal darstellen wollen, was nicht geht, dann ist ihnen das gelungen. Ansonsten kann ich den Vorschlag beim besten Willen nicht ernst nehmen", kommentierte Landrat Jens Böther die Pläne, die gestern von der Bahn im Rahmen der sogenannten "Gläsernen Werkstatt" als Folgen eines Ausbaus der Bestandsstecke für den Bahnhof Lüneburg präsentiert wurden. 

Danach würde nicht nur der Ostbahnhof komplett abgerissen werden, auch angrenzende Bereiche von der Ilmenaubrücke im Norden bis weit südlich des Bahnhofsgebietes müssten den neuen Trassenführungen weichen, die einen schnellen Durchgangsverkehr für ICE-Züge und Güterzüge mitten durch die Stadt ermöglichen sollen. Weichen müsste dafür nicht nur der ZOB, auch einzelne Wohngebäude müssten abgerissen werden, Gewerbebetriebe wären bedroht. Im Ergebnis entstünde ein völlig neue Bahnhofsareal mit neuem Hauptgebäude.

◼︎ Alternativtrasse zwischen Reppenstedt und Lüneburg

Die Planer skizzierten aber auch eine Alternativroute, um die Bahnhöfe von Lüneburg bis Uelzen westlich zu umfahren. Diese würde im Landkreis Lüneburg von Radbruch vorbei an Vögelsen und zwischen Reppenstedt und Lüneburg hindurch an Embsen vorbei weiter Richtung Süden führen – dicht vorbei an neu entstehenden Wohnvierteln, durch Naherholungsgebiete und durch den Grüngürtel westlich von Lüneburg.

"Da ist doch kein Platz für eine Bahnstrecke! Es ist doch jetzt mehr als klar, dass es nicht mehr um einen Bestandsausbau, sondern um eine Neubaustrecke geht", sagt Böther. Auch eine Führung weiter westlich – ob zwischen Lüneburg und Reppenstedt oder mitten durch die Samtgemeinde Gellersen – würde gewachsene Siedlungsstrukturen zerschneiden und erhebliche Naturbelange berühren. Dieser Bereich sei daher im gestern dargestellten Suchraum auch nicht enthalten.

So soll der Bahnhofsbereich nach den Vorstellungen der Deutschen Bahn AG aussehen, wenn die Pläne tatsächlich umgesetzt werden sollten. GrafiK: Deutsche Bahn AGWenig erfreut zeigte sich auch Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge. Er sei es "leid, dass immerzu Zeit vertan wird, um angeblich mögliche Trassen auf Herz und Nieren zu prüfen, denen die Nicht-Machbarkeit mit wachem Blick schon früh anzusehen ist." Stadt und Kreis hätten die ursprünglichen Ideen, die Bestandsstrecke auszubauen, bereits "mit viel Aufwand als zu teuer und zu ineffektiv" dargestellt. Jetzt würden die sogenannte Vieregg-Rössler-Varianten (damit sind Vorschläge zum Trassenverlauf im Zuge der Umsetzung der Alpha-E-Variante gemeint; Anmerkung der Redaktion) abgeklopft, um festzustellen, dass diese nicht nur Milliarden kosten würde und unwirtschaftlich sind, sondern auch eine Verlegung des ZOB und des Bahnhofsgebäudes bedeutet, von Auswirkungen auf bahnhofsnahe Wohnviertel und Gewerbebetriebe ganz zu schweigen. "Solche Possen mögen in die Karnevalszeit passen – aber ich wünsche mir, dass wir uns endlich realistischen Trassen zuwenden, wie einer Neubaustrecke für den Güterverkehr entlang der A7", sagte Mädge. 

◼︎ Trasse entlang der A7 führen

Hansestadt und Landkreis hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach praxisnahe Lösungen in der Diskussion um die Strecke Hamburg-Hannover angemahnt. Beide lehnen den Ausbau der Bestandsstrecke wie auch eine stadtnahe Umgehungsstrecke ab, da sie kaum Zeitgewinn brächten, dafür mit aufwendigen technischen Lösungen und Eingriffen verbunden wären. Sie fordern stattdessen, die Bestandsstrecke im Kleinen so zu ertüchtigen, dass zeitnah zusätzliche Kapazitäten für Pendel- und Fernverkehr entstehen können; der steigende Güterverkehr soll auf einer Neubaustrecke entlang der A7 geführt werden. Der Landkreis Lüneburg fordert hier die fachlich fundierte Prüfung einer alternativen Linienführung mit zwei Gleisen. Dazu sei ein Raumordnungsverfahren unerlässlich. Dies hatten auch der Kreistag im Dezember 2018 und der Rat der Stadt Lüneburg im Juni 2016 in einem Positionspapier deutlich gemacht.

◼︎ Hintergrund

Die Kapazitäten auf der Strecke Hamburg-Hannover, einer der meistbefahrenen Strecken in Deutschland, sollen ausgebaut werden, um zusätzlichen Personenschienenverkehr, vor allem aber Güterschienenverkehr aufzunehmen. Wie dies aber geschehen soll, darüber wird in der seit 1992 währenden Diskussion um Y-Trasse, Alpha-E und Alternativen zwischen der Deutschen Bahn AG, Politik in Bund, Land und Kommunen sowie dem Projektbeirat und den Anrainer der verschiedenen Strecken heftig gestritten.

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