29.04.2025 - Eines muss man Claudia Kalisch lassen: Sie schafft es immer wieder, mit unerwarteten Ankündigungen und Äußerungen für Aufmerksamkeit zu sorgen. Aktuell ist es wieder eine Personalie, die aufhorchen lässt. Sie holt den langjährigen CDU-Politiker Eckhard Pols ins Rathaus, was schon deshalb überrascht, weil Pols als Stadtratsmitglied Kalisch gern mal Paroli bietet. Warum also nun ausgerechnet der CDU-Mann für das Amt des Wirtschaftslotsen? Eine Erklärung könnten die Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen im kommenden Jahr sein.
Die Grünen stehen derzeit bundesweit in den Umfragen nicht gut da. Die Ampel in Berlin wollen alle am liebsten schnell hinter sich lassen, Baerbock rettet sich mit einer feministischen Grätsche spesenbewusst nach New York ab, Habeck hat nach den Küchentisch-Gesprächen verständlicherweise auch keinen Bock mehr und will sein Bundestagsmandat niederlegen.
In Lüneburg sieht es nicht ganz so schlimm aus. Hier können die Grünen immer noch mit einer treuen Wählerschaft rechnen, kein Wunder bei den zahlreichen Verwaltungen, Behörden, Gerichten und der Uni, die hier verortet sind und ihren Staatsbediensteten allesamt gesicherte Einkommen garantieren, die neben dem SUV auch das E-Lastenfahrrad und vegane Bio-Sandalen ermöglichen und für die das Kreuz auf dem Wahlzettel an der richtigen Stelle eine Frage der Überlegenheitsmoral ist.
Was aber, wenn die Gewissheiten schwinden? Was, wenn auch in Lüneburg die Stimmung kippt, weil in den Schulen immer mehr Schüler neben dem eigenen Sprößling sitzen, die nicht mehr Deutsch sprechen? Was, wenn die Privatschulen in Marienau oder in Melbeck keine Schüler aus gutverdienenden Kreisen mehr aufnehmen, weil die Kapazitäten erschöpft sind und junge Lehrer lieber nach Kanada aussiedeln, weil die Welt dort noch halbwegs in Ordnung ist? Was, wenn dann auch in Lüneburg die Stimmung kippt und Parteien die Oberhand gewinnen, die mehr auf Leistung als auf Fahrradstraßen setzen oder mit ganz anderen Plänen kommen?
Ob Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch so weit denkt, ist nicht bekannt. Ihre Entscheidung, den CDU-Mann Pols ins Rathaus zu holen, zeugt aber von einer gewissen Instinktsicherheit. Sie scheint ein Gespür dafür zu haben, wie sie Fraktionen, die eigentlich die Opposition bilden, für sich geschmeidig macht. Bei der SPD gelingt ihr das zwar nicht, bei der CDU dafür umso mehr. Die Ergebenheitsadressen des Fraktionsvorsitzenden an die Verwaltungsspitze sind ja schon fast an der Tagesordnung.
Dass Kalisch immer wieder die Nähe zur CDU sucht und sogar Dezernenten ins Amt holt, die garantiert nicht auf der Schiene der Grünen fahren, verwundert deshalb nicht. Hinzu kommt, dass die Grünen im Rat allein keine Mehrheit haben. Sie müssen sich für all ihre Projekte Partner suchen. Sich hier diejenigen gefügig zu machen, die ohnehin unter Beißhemmung leiden, macht aus Rathaus-Sicht also durchaus Sinn.
Ein weiterer Punkt: Bei der CDU dürfte im Rat die Neigung zum Widerspruch auch bei noch so unsinnigen Rathaus-Vorlagen mit jedem neuen CDU-Mitglied im Rathaus zudem exponentiell abnehmen. So kann sich Kalisch Mehrheiten sichern, die sie mit ihren Grünen allein nicht mehr zustande bekommt.
Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Ein Lotse für die Wirtschaft"