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Die Verlogenheit der Politik

26.02.2022 - "Fassungslos", man habe das alles nicht kommen sehen und sich auch nicht vorstellen können – so klingen die Reaktionen deutscher Politiker auf den Krieg, der jetzt in der Ukraine tobt. Dass Deutschland heute und noch dazu eher widerwillig erklärt, dem angegriffenen Land doch noch Waffen zur Verteidigung zur Verfügung zu stellen, das lässt viele Menschen in der Tat "fassungslos" zurück angesichts der fast aussichtslos erscheinenden Situation, der sich die Ukraine gegenübergestellt sieht. Doch es offenbart noch mehr: die Unfähigkeit führender deutscher Politiker.

Unfähigkeit 1: Nordstream 2 sei ein "rein privatwirtschaftliches Unternehmen", das sagte noch vor Kurzem Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich damit im argumentativen Fahrwasser seiner Vorgängerin Angela Merkel wähnte und offenbar glaubte, jegliche Infragestellungen dieses Projekts im Keim ersticken zu können. Eine strategische Abhängigkeit Deutschlands von Russland bei mehr als 50 Prozent der benötigten Gasmengen? Nein, das wollte man nicht sehen, allein schon der selbstgesteckten Klima-Ziele wegen nicht.

Unfähigkeit 2: Seit Jahren ist der beklagenswerte Zustand der Bundeswehr bekannt. Doch der wurde bewusst herbeigeführt, wie der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat kürzlich verdeutlichte. So habe die Politik die Bundeswehr nach Ende des Kalten Krieges zunehmend auf Auslandseinsätze getrimmt, dabei aber die Notwendigkeit der Landesverteidigung unberücksichtigt gelassen. Das Problem: Während der Bundestag über Ausländseinsätze bestimmen könne, gelte dies nicht für die Landesverteidigung, machte Kujat jüngst deutlich, denn: "Es entscheidet nicht der Bundestag, von wem Deutschland angegriffen wird."

Dies und die Feststellung des Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, wonach die Truppe "blank" sei, löste in Berlin in diesen Tagen eine Pseudo-Schockwelle aus. Das habe man angeblich so nicht gewusst, ist seitdem rundum zu hören. Doch beides, sowohl das Wissen darum als auch die Unkenntnis dieser Situation, ist verheerend. 

Unfähigkeit 3: Der Klima-Wahn. Mit einer abenteuerlichen Kehrtwende verkündete Alt-Kanzlerin Angela Merkel nach der Katastrophe von Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie. Ende dieses Jahres werden die letzten noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Bis 2038 sollen auch die Kohlekraftwerke folgen. Doch eine sichere Energieversorgung ohne diese Energieträger ist nicht in Sicht. Wenn nun auch das russische Gas ausbleibt, hat Deutschland ein echtes Problem. Unverständlich auch, warum Deutschlands Gasspeicher in der Hand des russischen Unternehmens Gazprom sind. Dass diese aktuell gerade noch zu einem Drittel gefüllt sind, zeigt, dass zumindest Russland weiß, wie Politik funktioniert. Deutschland aber setzt unterdessen auf hilfsbereite Strom- und Gaslieferungen aus seinen Nachbarländern. Dabei ist sich die Politik weder zu schade, den Atomstrom zu verteufeln, auf den Deutschland jetzt noch mehr angewiesen ist, noch auf die Umweltschädlichkeit des Fracking-Gases aus den Niederlanden oder den USA hinzuweisen – Hauptsache, man bleibt seinen moralischen Prinzipien treu.  

Unfähigkeit 4: Heute hat sich die deutsche Bundesregierung durchgerungen, die Ukraine mit militärischen Waffen zu unterstützen. Doch dazu musste Berlin erst von seinen Nato-Verbündeten gedrängt werden. Noch vor wenigen Tagen begnügte sich Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock mit dem Hinweis, Deutschland könne dem bedrohten Land angesichts seiner eigenen Geschichte keine militärische Hilfe anbieten – ausgerechnet dem Land nicht, dem Deutschland im Zweiten Weltkrieg unsäglichen Schaden zugefügt hat. 

Fazit: Allein diese vier Beispiele zeigen, dass die Politiker die Folgen und Unwägbarkeiten ihres Handelns offenbar nicht mehr bedenken oder erkennen. Seit vielen Jahren wird Politik nach dem Wünschbaren, nicht aber nach dem Notwendigen ausgerichtet. Das aber ist keine Politik, das ist populistisch. Oder, wenn man es noch drastischer ausdrücken will: verlogen. 

Ein Kommentar von Ulf Stüwe