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Altersarmut trotz Vollzeitjob

5.200 Menschen im Kreis Lüneburg bedroht – Gewerkschaft fordert Stärkung der gesetzlichen Rente  

Viele Menschen kommen im Alter mit der gesetzlichen Rente nicht mehr aus. Foto: NGG/Alireza KhaliliLüneburg, 15.09.2021 - Ein Leben lang arbeiten – und trotzdem reicht die Rente nicht: Im Landkreis Lüneburg sind rund 5.200 Vollzeitbeschäftigte selbst nach 45 Arbeitsjahren im Rentenalter von Armut bedroht. Davor warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und beruft sich hierbei auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung.

Demnach verdienen 15,1 Prozent aller Beschäftigten, die im Kreis Lüneburg in Vollzeit arbeiten, weniger als 2.050 Euro brutto im Monat. Rein rechnerisch müssten sie sogar mehr als 45 Jahre lang arbeiten, um auf eine Rente oberhalb der Grundsicherungsschwelle von aktuell 835 Euro zu kommen, teilt die NGG mit.

"Altersarmut ist kein Schreckensszenario in der Zukunft, sondern für viele Menschen längst Realität. Die Rente derer, die zum Beispiel jahrzehntelang in einer Bäckerei oder Gaststätten gearbeitet haben, reicht schon heute oft nicht aus. Rentenkürzungen oder Forderungen über ein späteres Eintrittsalter sind der falsche Weg“, sagt Steffen Lübbert, Geschäftsführer der NGG-Region Lüneburg, mit Blick auf die aktuelle Debatte rund um die Alterssicherung. Das Rentenniveau, also die durchschnittliche Rente nach 45 Beitragsjahren bei mittlerem Verdienst, dürfe nicht weiter absinken. Stattdessen müsse die Politik die gesetzliche Rente stärken.

Seit dem Jahr 2000 sei das Rentenniveau bereits von rund 53 Prozent auf aktuell 48 Prozent abgesenkt worden. "Konkret bedeutet das, dass Geringverdiener mit einem Einkommen von weniger als 2.050 Euro brutto im Monat statt 42 nun fast 46 Jahre lang arbeiten müssen, um überhaupt noch die Grundsicherungsschwelle im Alter zu erreichen", so Lübbert. Aber vier weitere Jahre seien vielen Beschäftigten gesundheitlich gar nicht möglich. Und: Jede Anhebung des Renteneintrittsalters komme einer Rentenkürzung gleich.

Die nächste Bundesregierung müsse das derzeitige Rentenniveau stabilisieren und perspektivisch anheben, um einen weiteren Anstieg der Altersarmut zu verhindern. Die von Wirtschaftsverbänden geforderte "Rente mit 70" sei der falsche Weg.

Zugleich seien die Unternehmen in der Pflicht, prekäre Beschäftigung zurückzufahren und Tarifverträge zu stärken. Gerade im Hotel- und Gaststättengewerbe gebe es einen enormen Nachholbedarf, um die Einkommen wirklich armutsfest zu machen – auch weil viele Firmen aus der Tarifbindung flüchteten. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit verdienen in Niedersachsen aktuell rund 21.100 von insgesamt 36.500 Vollzeitbeschäftigten im Gastgewerbe weniger als 60 Prozent des bundesweit mittleren Monatseinkommens von 3.427 Euro. "Hier darf es niemanden überraschen, dass während der Corona-Krise so viele Köche und Hotelangestellte ihre Branche verlassen haben", sagt Lübbert.

Altersarmut: 
Laut OECD und Statistischem Bundesamt gilt als armutsgefährdet, wer inklusive staatlicher Transferleistungen über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügt.