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Abschied von Lüneburgs großem Philosophen

Hermann Schweppenhäuser im Alter von 87 Jahren verstorben

Hermann Schweppenhäuser verstarb am 8. April 2015 im Alter von 87 Jahren. Foto: nghLüneburg, 14.04.2015 - Er galt nicht nur als tiefgreifender Analytiker mit hoher intellektueller und sprachlicher Brillanz. Auch seine außergewöhnliche Ausstrahlung in der Lehre, sein hohes Schrifttum und seine Liebenswürdigkeit als Person zeichneten Professor emeritus Dr. Dr. hc Hermann Schweppenhäuser, der mehr als 30 Jahre an der Hochschule in Lüneburg lehrte, stets aus. Am 8. April ist Hermann Schweppenhäuser im Alter von 87 Jahren verstorben. Ein Nachruf von Dr. phil. Ulf Wuggenig, Professor für Kunstsoziologie an der Leuphana Universität Lüneburg.

Hermann Schweppenhäuser wurde auf Empfehlung Theodor W. Adornos, dessen Assistent er am Frankfurter Institut für Sozialforschung war und zu dessen bedeutendsten Schülern er zu zählen ist, 1961 nach Lüneburg berufen. Zu dieser Zeit war der erste Lehrstuhl für Philosophie an der mit britischer Unterstützung eingerichteten Pädagogischen Hochschule in Lüneburg, die 1989 in die Universität Lüneburg verwandelt wurde, eingerichtet worden. Das Fach Philosophie baute Hermann Schweppenhäuser in Folge in einer nach außen weithin sichtbaren Form auf, zunächst unterstützt vor allem von Günther Mensching, der ab den frühen 1970er Jahren als Akademischer Rat im Fach tätig war. Dazu trug zweifelsohne auch die Honorarprofessur bei, mit der Hermann Schweppenhäuser von der Universität Frankfurt am Main in den späten 1960er Jahren gewürdigt wurde und die eine feste Achse zwischen Lüneburg und Frankfurt herstellte. Angesichts seiner Ausstrahlung vermochte Hermann Schweppenhäuser eine philosophische Schule zu begründen, aus der auch der in Lüneburg gegründete zu Klampen Verlag und die Zeitschrift für kritische Theorie hervorgegangen sind.

Als der kulturwissenschaftliche Studiengang an der Hochschule Lüneburg im Jahre 1986 eingerichtet wurde, zählte Hermann Schweppenhäuser zu jenen, die sich trotz mancher Bedenken hin in Richtung des Fachbereichs Kulturwissenschaften bewegten, der schließlich 1988 in der Ära seines ersten Dekans, Prof. Dr. Theodor Klimek, als damals dritter Fachbereich der jungen Hochschule eingerichtet werden konnte.

Als Frankfurter Philosoph blieb Hermann Schweppenhäuser angesichts der Ausdifferenzierung dieser Schule ab den 1960er Jahren der Tradition von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer gegenüber der Linie von Jürgen Habermas treu. Die Universität Lüneburg galt auf Grund seines Wirkens noch lange als jener Ort, an dem man der Frankfurter Schule noch in ihrer "authentischen“ Form begegnen konnte. Über Schweppenhäusers Wirkung in Lüneburg ist in dem von Richard Faber und Eva-Maria Ziege 2008 herausgegebenen Band zur Geschichte der Frankfurter Schule - Das Feld der Frankfurter Kultur- und Sozialwissenschaften nach 1945 - in einem Beitrag von Wolfgang Bock zu lesen: "Seinen Wirkungskern entwickelt Schweppenhäuser in Lüneburg. In diesem Sinn ist er bis heute in einem auf diese Weise gleichsam auratisierten Weichbild der Stadt Lüneburg präsent. Die vormalige Peripherie wandelt sich zu einem Kulminationspunkt der Kritischen Theorie. Diese Wirkung wird durch die Entwicklung der Universität Lüneburg befördert. Nicht zuletzt Schweppenhäuser und seiner Schülerinnen und Schüler Bemühen um Aufklärung ist es zu verdanken, dass sich in der Provinz eine Entwicklung von einer Garnisonsstadt zu einer Universitätsstadt vollzogen hat.“

Bock schreibt über gemeinsame Prüfungen mit Hermann Schweppenhäuser, der der benotenden Bewertung einzelner Menschen kritisch gegenüberstand: "In der Zeit habe ich als Beisitzer in nicht unbeträchtlicher Weise mein Philosophiestudium nachgeholt, weil Hermann Schweppenhäuser in den Prüfungen eigentlich weniger prüfte als philosophierte. Das war manchmal für die Kandidaten ein bisschen verwirrend, ihre Beurteilung erfolgte gelegentlich auch allzusehr durch die Brille dessen, der gerade in der Prüfung über den Sachverhalt selbst philosophiert hatte. Aber es hatte seine eigene Faszination, diese Philosophieprüfungen wirklich als Tummelplatz des Denkens zu erleben.“

Hermann Schweppenhäuser lehrte an der Fakultät Kulturwissenschaften noch lange über seine Emeritierung Ende der 1990er Jahre hinaus. Im Jahre 2008 wurde er in Form des Symposiums "Bild, Sprache, Kultur. Ästhetische Perspektiven kritischer Theorie“ gewürdigt, eine "Kulturwissenschaftliche Tagung zu Hermann Schweppenhäusers 80. Geburtstag" an der Leuphana Universität. Aus ihr ging auch ein gleichnamiger Band hervor, der von Prof. Dr. Sven Kramer herausgegeben wurde. Gleichfalls im Jahre 2008 erhielt Hermann Schweppenhäuser die Ehrendoktorwürde von der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, die erste welche diese traditionsreiche Kunsthochschule vergeben hat.

In seinen philosophischen Schriften behandelte Hermann Schweppenhäuser insbesondere Fragen der Ästhetik, der Sprachphilosophie, der Selbstreflexion des dialektischen Denkens und in jüngerer Zeit auch der Bildtheorie. Weithin bekannt ist sein Name nicht zuletzt über seine Arbeit der Jahre 1972 bis 1999, die der Maßstäbe setzenden Herausgabe der Gesammelten Schriften von Walter Benjamin in Zusammenarbeit mit Rolf Tiedemann gewidmet waren.

Die Beisetzung von Hermann Schweppenhäuser, dem sowohl das Fach Philosophie und die Fakultät Kulturwissenschaften als auch die Universität sehr viel zu verdanken haben, findet am Mittwoch, 15. April, um 11 Uhr auf dem Friedhof Deutsch Evern statt.