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Die Angst vorm Erinnern

Eine Podiumsdiskussion über Erinnerungskultur in Lüneburg

Hansestadt, 12.10.2012 - Das Thema war gut und auch die eingeladenen Podiumsgäste weckten das Interesse der Redaktion sowie rund 20 weiterer Interessierter. Immerhin versprach es, einem Problem auf den Grund gehen zu wollen, das die Stadt seit langem berührt oder doch wohl eher quält: Erinnerungen. Dass auch dieser Abend dann bei der Frage, ob Hindenburg noch als Patron für einen Straßennamen taugt, hängengeblieben ist, konnte man zumindest den Podiumsgästen nicht anlasten.

Gastgeber des Abends war Hiltrud Lotze in ihrer Funktion als Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Lüneburg. An ihre Seite hatte sie den Direktor des in Lüneburg beheimateten Deutschen Salzmuseums, Dr. Christian Lamschus, gesetzt sowie die Historikerin Professor Dagmar Bussiek, derzeit an der Leuphana Universität Lüneburg für die Bereiche Sozial- und Kulturgeschichte verantwortlich.

Beiden verlangte Lotze gleich zu Beginn eine Erklärung ab, was Erinnerungskultur denn bedeute. Und beide versuchten zumindest anfangs noch, den opportunistischen Deutungszusammenhängen zu entkommen, die an diesem Abend dann letztlich doch immer wieder hochkamen: Erinnerung als Glorifizierung und Etablierung totalitärer Herrschaftsstrukturen.

"Jede Generation schreibt ihre Geschichte neu", sagte Christian Lamschus, aber es gebe auch Grenzen, so bei der Frage, ob es eine Adolf-Hitler-Straße geben dürfe. "Damit hätte ich ein Problem, mit der Hindenburgstraße nicht".

Dem pflichtete auch Professorin Bussiek bei, die erkannte, dass es eine Grenze gebe, nur sei nicht klar, wo sie im Einzelfall liege. Womit Frau Bussiek dann auch das grundsätzliche Problem fixierte, um das es an diesem Abend ging: Nach welchen Kriterien ist die Umbenennung einer Straße oder Entfernung eines Denkmals überhaupt zulässig?

Doch während die beiden Fachleute auf dem Podium sich noch bemühten, historische und damit kollektive Erinnerungszusammenhänge weiter zu fassen als nur bis 1933, war die Diskussion um konkrete oder vermeintliche Verfehlungen von Lüneburgern und Nicht-Lüneburgern im Dritten Reich längst im Plenum angekommen.

An vorderster Stelle positionierte sich an diesem Abend der Lüneburger Peter Asmussen, Mitglied des Vereins der Verfolgten des Nationalsozialismus (VVN) und damit per se ausgewiesener Experte in Sachen Erinnerungskultur. Ihn und andere Teilnehmer an diesem Abend interessierte jedoch weniger, welchen Stellenwert Erinnerungen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft insgesamt haben könnten. Vielmehr war ihnen wichtig, geschichtliche Dokumente wie Denkmale in den Kontext von Zulässig oder Nicht-Zulässig zu stellen - was man in dieser Deutlichkeit zuletzt in den zwölf Jahren vor 1945 vernahm.

Zwar bemühten sich Lamschus wie Bussiek, deutlich zu machen, dass mit dem Entfernen von Denkmalen auch Erinnerungen an historische Zusammenhänge verloren gingen, doch konnten sie die ins Konkrete gewendete Diskussion um zulässige und nicht zulässige Straßenschilder letztlich auch nicht mehr aufhalten.

Interessiert wurde noch der Vorschlag aus dem Plenum aufgenommen, bestehende Denkmale von zeitgenössischen Künstlern "bearbeiten" zu lassen. Der Vorschlag spielte auf die von Alfred Hrdlicka vorgenommene Neugestaltung des Kavallerie-Regiment-Denkmals am Hamburger Dammtor-Bahnhof an. Ein anderer Vorschlag war, die Denkmale sich selbst zu überlassen und sie und die mit ihnen verbundenen Erinnerungen einfach vergehen zu lassen.

Dass an diesem Abend nicht der Versuch gelang, Erinnerung als Erinnerungskultur zu verstehen, mag der besonderen Situation der Stadt Lüneburg geschuldet sein, die sich in Teilen vielleicht doch mehr auf das Negieren und damit Verschwindenlassen konzentriert, als sie es bisweilen selber vorgibt. Schade nur, dass an diesem Abend nicht die Frage gestellt wurde, welchen Unterschied es zwischen dem Entfernen von Denkmalen und dem Verbrennen von Büchern gibt.

 

Kommentare  
Die Differenz zwischen hiesiger SPD und der SPD anderswo im Umgang mit unserer Vergangenheit ist schon enorm. In Münster wurde gerade in einem sehr großen Parteienkonsens, der bis zu Teilen der CDU reichte, der "Hindenburgplatz" umbenannt. Die SPD hat dazu eigens eine Broschüre erstellt, wonach dies der SPD aufgrund ihrer Historie ein besonderes Anliegen war.

Hier in Lüneburg war DIE LINKE die einzige Partei, die eine Rück-Umbenennung der Hindenburgstraße in Gartenstraße forderte (wie sie vor der NS-Zeit und auch ein paar Jahre nach der NS-Zeit hieß).
Eines ist schon unlogisch: Wenn die Lindenstraße nie wieder so wie zur NS-Zeit heißen soll, weil Straßennamen immer auch positiven Bezug darstellen und Pilgerstätte bilden, warum gilt das dann nicht für die Hindenburgstraße?
SPD - bitte erklärt den Wiederspruch!
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