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Wienebüttel hat vorletzte Hürde genommen

Ausschuss stimmt für umstrittenes Neubaugebiet – Diskussion zeigt Widersprüche und Handlungsbedarf auf   

Die Grünen im Blick hatte Oberbürgermeister Ulrich Mädge in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses. Von ihnen gab es Kritik und Einwände gegen die Zustimmung zum Bebauungsplan. Im Bild v.l.: Ausschussvorsitzender Eberhard Manzke, Oberbürgermeister Ulrich Mädge, Wolf von Nordheim (Grüne) und Ulrich Blanck (Grüne). Foto: LGheuteLüneburg, 08.12.2020 - Mit einem klaren Votum von sieben Ja- zu zwei Nein-Stimmen hat sich der Bauausschuss der Stadt Lüneburg gestern für den Bebauungsplan für das umstrittene Neubaugebiet "Am Wienebütteler Weg" ausgesprochen. Die Ausschussmitglieder haben damit die Weichen für die endgültige Beschlussfassung durch den Rat am 17. Dezember gestellt. Der Empfehlung ging ein gleichlautendes Votum für die dafür erforderliche Anpassung des Flächennutzungsplans voraus. In beiden Fällen hatten die Grünen mit Nein gestimmt, der Vertreter der Linken erschien erst nach der Abstimmung.

Die Verwaltung wollte die Sache schnell durch den Ausschuss bringen. Umfangreiche Präsentationen und Gutachter-Erläuterungen wie vor einer Woche sollte es nicht noch einmal geben. "Die Gutachten stehen seit einem halben Jahr im Netz", bemerkte Oberbürgermeister Ulrich Mädge.

Eine Diskussion um den heiklen Punkt Verkehr konnte er damit dennoch nicht abwenden. Ulrich Blanck (Grüne) nutzte die Gelegenheit, den anwesenden Verkehrsgutachter Thomas Müller aus Hannover mit Fragen und eigenen Zahlen zu löchern. So widersprach er "ausdrücklich" der Auffassung des Gutachters, dass der Verkehr nur im Bereich des Neubaugebiets zunehmen werde. Dagegen sprächen die Zulassungszahlen des Landkreises. Hinzu kämen die angekündigten Neubaugebiete Süderfeld 6 und 7 in Vögelsen.

◼︎ Verkehrsdaten stammen aus 2013

Gutachter Müller suchte Deckung bei den steigenden Einwohnerzahlen, nur diese seien für den Kfz-Anstieg verantwortlich, in den letzten Jahren aber kaum gestiegen. Außerdem basiere seine Prognose für das Jahr 2025 aus dem Jahr 2013. Was Blanck verdutzte: "Es ist gut zu wissen, dass Daten aus 2013 Grundlage für einen Beschluss in 2020 sind."

Aber auch andere Faktoren wie der durchschnittliche Pkw-Nutzungsgrad oder Ent- und Versorgungsfahrten wies Gutachter Müller mit Verweis auf entsprechende Standardwerte aus der Literatur und den Vergleich mit anderen Städten zurück. Auch in dem Verkehrsengpass an der Kreuzung Vor dem Roten Tore / Schnellenberger Weg, an der sich zu den Hauptverkehrszeiten Autoschlangen vor den Ampeln bilden, sah Müller keinen Hinderungsgrund für das Neubaugebiet. Zwar ordnete er dem Knotenpunkt die Kategorie "D" zu, die sei aber "noch lange nicht der schlechteste Wert". Im Übrigen sei es normal, dass Wartezeiten auch über mehrere Ampelphasen in Spitzenzeiten entstehen.

◼︎ Landkreis in die Pflicht nehmen

Verkehrsdezernent Markus Moßmann nutzte die Diskussion, den Ball ins Feld des Landkreises zu werfen. Verkehrliche Untersuchungen dürften nicht isoliert betrachtet werden, hier sei der Landkreis gefordert, entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Außerdem gebe es Klärungsbedarf mit Reppenstedt und Vögelsen, wo neue Baugebiete entstehen. Ziel sei es, dem Radverkehr mehr Raum zu geben.

Den Blick auf die geplanten Neubaugebiete in Vögelsen richtete auch Klaus-Dieter Salewski (SPD) – und damit zugleich auch auf die Grünen. Es habe ihn sehr gewundert, dass er "von Ihren Parteifreunden dazu gar nichts gehört" habe. 

◼︎ AfD: Grüne lehnen Baugebiet ab, in das Grüne ziehen wollen

Auch Robin Gaberle (AfD) konnte sich nicht verkneifen, einen Finger in die grüne Wunde zu legen. "In das neue Baugebiet wollen vor allem Grüne ziehen, aber Sie sind dagegen. Wir hingegen unterstützen Wienebüttel." 

Birte Schellmann (FDP) appellierte, das Neubaugebiet als autoarmes Baugebiet auszuweisen: "Die Leute, die dort hinziehen wollen, sollten wissen, was auf sie zukommt." Ihre Frage, ob bei den Belastungen auch die ohnehin schon "problematische" Schomakerstraße berücksichtigt werde, beantworte Gutachter Müller ausweichend: Die Straße lasse ohnehin keinen flüssigen Verkehr zu.

Die Notwendigkeit, in Lüneburg Wohngebiete auszuweisen, betonte auch Christel John (CDU). Es mache keinen Sinn, Menschen nur in den umliegenden Gemeinden anzusiedeln, "sie kommen ja letztlich doch zu uns in die Stadt". 

Kritik am Verhalten der anwesenden Parteien in Sachen Verkehr kam von Heiko Meyer (parteilos). Im Gegensatz zu ihm seien sie im Kreistag vertreten. Er forderte sie daher auf, dort aktiv zu werden: "Machen Sie Druck! Der Landkreis muss auch mal sagen, wie es weitergeht."

◼︎ Wohnungsgenossenschaft an Wienebüttel interessiert

"Wir stehen zu unserem Beschluss aus 2014, dass im Westen von Lüneburg nicht mehr gebaut werden soll", warf Wolf von Nordheim (Grüne) ein. Wenn aber die Mehrheit etwas anderes wolle, "werden wir uns an einer vernünftigen Lösung beteiligen". Diese sehe er aber in dem vorliegenden Bebauungsplan unter anderem mit Bezug auf Mieterstrom-Konzepte nicht. Was wiederum Oberbürgermeister Ulrich Mädge die Bemerkung entlockte, dass dies von dem zurückgetretenden Stadtverbandsvorsitzenden der Grünen, Ulf Reinhardt, offenbar anders gesehen werde. Schließlich plane die Wohnungsgenossenschaft Lüneburg, dessen Vorstandsmitglied Reinhardt ist, in dem neuen Baugebiet selbst zu bauen.

Exkurs: Ulf Reinhardt hatte erst Ende November seinen Vorsitz bei den Grünen aufgegeben, zwei Tage, nachdem die grüne Stadtratsfraktion das Jamaika-Bündnis wegen des Streits um den Vorsitz im Bauausschuss verlassen hatte. Die Fraktion hatte erzürnt, dass der Bebauungsplan "durchgewinkt" werden sollte. Sie hatte dafür neben der Stadtverwaltung den Ausschussvorsitzenden Eberhard Manzke (CDU) als treibende Kraft vermutet (LGheute berichtete). Eine Interessenkollision zwischen seiner politischen Arbeit und seiner beruflichen Tätigkeit hatte Reinhardt aber dementiert. Offen ließ er, ob er weiterhin Mitglied bei den Grünen ist (LGheute berichtete). 

Von der Links-Partei war bei dem Thema nichts hören. Deren Vertreter im Ausschuss, Karlheinz Fahrenwaldt, traf erst mit zweistündiger Verspätung ein. Er konnte nur noch darauf hinweisen, dass seine Fraktion dem Bebauungsplan im Rat nicht zustimmen werde.