header

Wechsel-Stimmung

14.07.2022 - Mit Liliana Josek hat eine junge Frau den Lüneburger Kreistag schon nach kurzer Zeit wieder verlassen. Gerade einmal acht Monate hat sie ihr Mandat ausgeübt, das sie im vergangenen Herbst errungen hatte. Was auch immer die Gründe für ihren Abgang gewesen sein mögen: Der so frühe Abschied aus einem Kommunalparlament wirft Fragen auf, zumal es nicht das erste Mal ist, dass eine junge Frau vorzeitig geht. Ihre Partei, die Grünen, könnte daran nicht ganz unschuldig sein.

Seit Annalena und Robert auf der bundespolitischen Bühne präsent sind, ist die Attraktivität der Grünen kräftig gestiegen. Vor allem Frauen zieht es in die Partei, die mit der letzten Bundestagswahl auch den höchsten Frauenanteil im neuen Bundestag vorweisen kann: 58,5 Prozent ihrer Abgeordneten sind weiblich. Damit liegt die Partei weit über dem Durchschnitt von 34,7 Prozent.

Der hohe Anteil ist kein Zufall, sondern erklärtes grünes Ziel. So schreibt die Satzung der Grünen mit ihrer "Mindestquotierung" vor, dass bei der Vergabe von Listenplätzen alle ungeradzahligen Plätze an Frauen vergeben werden müssen, während die geradzahligen Plätze "offen" sind, also von Männern und Frauen und Personen diverser Geschlechtszugehörigkeit besetzt werden können. 

Im Ergebnis führt diese Praxis dazu, dass Frauen nicht nur überrepräsentiert sind. Denn grüne Politik ist es auch, möglichst junge Frauen in die Parlamente zu bringen, schließlich wirken sie dort als Katalysatoren für weitere weibliche Parteizugänge. So zogen die Lüneburger Grünen, die nach der letzten Kommunalwahl 15 Sitze errangen, mit acht Frauen und sieben Männern in den Rat der Stadt ein. Sechs der acht Frauen sind unter 30 Jahre alt, fünf davon zum ersten Mal in einem Kommunalparlament. 

Gleiches im Lüneburger Kreistag: Vierzehn Mitglieder hat die Fraktion der Grünen, acht davon Frauen, von denen vier jünger als 30 Jahre sind. 

Dass ein solches Mandat auch einen hohen Einsatz abverlangt, scheinen viele Neu-Politiker aber erst allmählich zu erkennen. Denn mit ein paar Ratssitzungen ist es nicht getan: Es gibt zahlreiche Ausschüsse, an denen nicht nur teilgenommen werden sollte, sondern die auch gut vorbereitet werden müssen, wenn mehr als nur das partei-obligatorische Handheben gefragt ist. Außerdem sind Sitze in Aufsichtsräten, Stiftungen und anderen kommunalen Einrichtungen zu besetzen.

All das kostet vor allem Zeit. Zeit, die aber gerade junge Menschen kaum aufbringen können, schon gar nicht, wenn sie gerade dabei sind, eine Familie zu gründen oder in der beruflichen Karriereplanung oder im Studium stecken. Allein in Lünebrurger Stadtrat sind die Grünen mit drei Studentinnen vertreten. Viel Zeit für ernsthafte Politik ist da kaum drin. Man darf also gespannt sein, wer als Nächste aufgibt und wie jetzt mit Gudrun Hofmann einer Älteren Platz macht.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Grüner Wechsel im Kreistag"