header

Von Verzicht ist nicht die Rede

Ein Schreiben des Bundesverkehrsministeriums macht deutlich, dass Berlin an der Neubautrasse weiter festhält

Die Diskussion um den Schienenausbau zwischen Hamburg und Hannover ist weiter in Fahrt. Foto: LGheuteLüneburg/Berlin, 21.09.2023 - Ist Berlin vor den Forderungen des Landes Niedersachsen in Sachen Schienenausbau eingeknickt? Diesen Eindruck hatte ein Beitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) entstehen lassen, in dem über eine politische Verständigung auf den vorrangigen Ausbau der Bestandsstrecke Hamburg - Hannover unter Verzicht auf die bislang favorisierte Neubautrasse berichtet wurde. Das aber scheint nicht den Vorstellungen Berlins zu entsprechen, wie einem Schreiben des Bundesverkehrsministeriums zu entnehmen ist.

"Nach den bisherigen Erkenntnissen aus den Planungen der DB ergäben sich bei Umsetzung der ABS/ NBS (Ausbaustrecke/Neubaustrecke; Anm. d. Red.)  Hamburg - Hannover für die Menschen in Niedersachsen bereits zahlreiche Vorteile. Neue Städte und Regionen könnten mit attraktiven Nahverkehrsangeboten erschlossen werden", heißt es in einem Brief, den der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Theurer, am 5. Juli an den niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies geschrieben hat und der LGheute vorliegt. Und weiter heißt es: "Auch im Bestand entstünden Kapazitäten, um den SPNV (Schienenpersonen-Nahverkehr, Anm. d.Red.) entlang der Strecke Lüneburg - Uelzen - Celle deutlich auszuweiten."

Interessant ist dabei die Formulierung "Auch im Bestand ... ", lässt sie doch darauf schließen, dass Theurer die Bestandsstrecke zwar mit in den Blick nimmt, sie aber nicht vorrangig behandelt wissen will, wie der FAZ-Beitrag vermuten lässt (LGheute berichtete). Die Kollegen der FAZ sollen sich in ihrem Bericht vor allem auf den Briefwechsel zwischen Theurer und Lies bezogen haben.

◼︎ Eisenbahn-Bundesamt prüft Bau der Neubaustrecke

Dass Theurer weiter an der Neubaustrecke festhält, wird auch im Folgenden deutlich. So weist er darauf hin, dass das Eisenbahn-Bundesamt die bisher von der DB Netz AG erarbeiteten Ergebnisse "parallel prüfe". Die DB Netz AG aber setzt eindeutig den Schwerpunkt auf die Neubautrasse. Theurer fährt daher auch fort: "Im nächsten Schritt sollten wir ... gemeinsam daran arbeiten, wie auf der Grundlage der Planungsergebnisse der DB der Nutzen für Niedersachsen und die Bürgerinnen und Bürger in der Region und damit die Akzeptanz für den notwendigen bedarfsgerechten Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur weiter gesteigert werden kann." Von Verzicht auf den Bau der Neubaustrecke also kein Wort.

Zugleich, und da kommt Theurer der Forderung von Wirtschaftsminister Lies nach Ausbau der Bestandsstrecke entgegen, hält auch er es für sinnvoll, im Zuge der geplanten Generalsanierung der Bestandsstrecke "möglichst viele kapazitätssteigernde Maßnahmen auf diesem schon heute überlasteten Streckenabschnitt umzusetzen". Um beides, Ausbau der Bestandsstrecke im Zuge der Generalsanierung und Weiterplanung der Neubaustrecke, auch zeitlich sinnvoll miteinander zu verzahnen, soll die usprünglich für 2026 geplante Generalsanierung nun auf 2029 verschoben werden.

Und noch ein weiterer Punkt in dem Schreiben macht deutlich, dass das Bundesverkehrsministerium an seinen bisherigen Plänen festhält. So heißt es dort in einer Auflistung zum weiteren Vorgehen unter anderem: "Zügige Durchführung eines Raumordnungsverfahrens auf Basis der Planungen der DB." Der Start eines solchen Verfahrens aber macht bekanntlich nur Sinn, wenn auch eine zeitnahe Realisierung geplant ist. 

◼︎ Reaktion von Stadt und Landkreis Lüneburg

Bei Stadt und Landkreis Lüneburg hat der FAZ-Bericht dennoch die Alarmglocken schrillen lassen. Landrat Jens Böther äußerte sich am Tag danach so: "Mit dieser Absprache bremsen Bund und Land die Verkehrswende deutschlandweit aus. Sie nehmen den Menschen im Landkreis Lüneburg die Chance auf eine schnelle, gute, verlässliche Bahnverbindung mit Zukunft. Unsere Pendlerinnen und Pendler zwischen Lüneburg, Hamburg und Hannover leiden seit Jahren unter den Zuständen auf dieser verstopften Strecke. Nun soll auch noch die Generalsanierung um Jahre verschoben werden. Und das alles, weil einige an der überholten Idee Alpha E hängenbleiben und die Politik es nicht schafft, den Menschen in der Heide die Chancen eines Neubaus zu vermitteln? Da frage ich mich: Wo bleibt hier das versprochene Deutschland-Tempo? Die Bahn hat die Fakten bereits auf den Tisch gelegt und gezeigt: Ein Neubau ist realistisch und notwendig."

Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch erklärte: "Das ist in mehrfacher Hinsicht wirklich enttäuschend. Wir haben schon jetzt dringenden Handlungsbedarf, um für die Menschen in Stadt und Landkreis gute Pendelanbindungen nach Hamburg, Celle, Uelzen und Hannover zu schaffen. Die Verschiebung der Generalsanierung um drei Jahre bedeutet eine noch längere Wartezeit auf lang ersehnte Verbesserungen. Ein Ausbau der Bestandsstrecke mit einem dritten Gleis durch Lüneburg hätte zudem über Jahre zusätzliche Einschränkungen zur Folge. Das ist aus städtischer Sicht undenkbar. Zumal diese Planung nicht die benötigten Kapazitäten für den Deutschland-Takt und die Verkehrswende bringen wird. Das belegen die Variantenvergleiche. Hier wird ganz klar eine politische Entscheidung gegen objektive Fakten getroffen. Hoffen wir, das diese noch nicht final ist."