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Heizpilze und Gender-Sternchen

Vier Stunden diskutierte der Rat über mehr oder weniger aktuelle Probleme der Stadt

Das Kulturforum Wienebüttel bot den Ratsmitgliedern den coronagerechten Rahmen für ihre Debatten. Foto: LGheuteLüneburg, 28.10.2020 - Ein üppiges Programm erwartete mal wieder den Rat der Stadt, als er gestern zu seiner Oktober-Sitzung im Kulturforum Wienebüttel zusammenkam. Knapp 30 Punkte standen auf der Tagesordnung, darunter mehrere Alt-Anfragen und Alt-Anträge, dazu weitere Themen im nichtöffentlichen Teil der Sitzung. Dass davon nicht einmal die Hälfte abgearbeitet wurde, war erneut der Diskussionsfreude der Ratsmitglieder geschuldet. Hier die Ergebnisse und schönsten Wortbeiträge in der Zusammenfassung.

 

◼︎ Pilze dürfen wieder heizen
Den Einstieg machte die SPD, die sich mit ihrem Dringlichkeitsantrag zur befristeten Genehmigung von sogenannten Heizpilzen im Außenbereich gastronomischer Betriebe durchsetzen konnte. Ziel war es, die lokale Gastronomie während der Corona-Krise durch Nutzung der Außenflächen auch in der kühleren Jahreszeit zu unterstützen. Die Regelung gilt bis zum 30. April 2021 und auch nur für Elektro-Heizpilze. Dem Antrag wurde mehrheitlich zugestimmt.

"Die Infektionsrate in der Gastronomie ist laut RKI nicht relevant." Frank Soldan, FDP

"Das läuft hier wie beim E-Auto: Machen wir einfach Strom dran. So geht das nicht." Christoph Podstawa, Linke

"Keine Politik nach Kassenlage." Ulrich Blanck, Grüne

 

◼︎ Bürger*/-innen oder so und andere
Während viele weiterhin rätseln, was sich hinter dem merkwürdigen Begriff versteckt, geschweige denn sicher sind, wie er auszusprechen ist, nahm der Tagesordnungspunkt "Gendersensible Sprache in der Hansestadt Lüneburg etablieren" erwartungsgemäß breiten Raum ein. Ging es doch darum festzulegen, ob und wie Menschen beiderlei Geschlechts sowie alle, die sich darüber noch nicht ganz schlüssig sind, künftig angesprochen werden sollen. Zum Verdruss von Grünen, die den Antrag eingebracht hatten, und Linken wurde darüber aber nicht abgestimmt, sondern mehrheitlich in den Gleichstellungsausschuss verwiesen.

"Es geht nicht darum, Menschen eine andere Sprache aufzudrängen." Jule Grunau, Grüne

"Wir sollten unsere Sprache nicht so weit domestizieren, dass sie selbst zur Fremdsprache wird." Dr. Thomas Buller, CDU

"Es ist ein Armutszeugnis, dass hier nicht abgestimmt wird." Christoph Podstawa, Linke

"Frage: Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren?" Dr. Thomas Buller, CDU

"Ich habe gelernt zu abstrahieren. Mörder sind nicht nur Männer." Birte Schellmann, FDP

"Eine Verhuntzung der Sprache lehnen wir ab." Dirk Neumann, AfD

 

◼︎ Schlachthof: Grüne wollen selbst die Messer wetzen
Eigentlich sollte eine Entscheidung gar nicht herbeigeführt werden. Das hielt den Rat aber nicht davon ab, ausführlichst über das Thema "Anforderungen zur Gründung eines kommunalen Schlachthofs in Lüneburg" zu diskutieren. Eingebracht worden war die Anfrage von den Grünen, die ebenso wie die Linken lieber heute als morgen die Regentschaft über die Schlachtermesser wieder der Stadt übertragen wollen. Dass die Anfrage lediglich der Auftakt zu einem neuen Dauerthema im Rat werden wird, kündigte Grünen-Chef Ulrich Blanck gleich mit an: "Ich werde dazu auf die Stadt zukommen."

"Wir brauchen mehr Landschlachter, aber keine sozialistischen und per Dekret verordneten Schlachthöfe." Wolfgang Goralczyk, CDU

"Unsere Kompetenz liegt nicht im Betrieb von Schlachthöfen." Klaus-Dieter Salewski, SPD

"Kann sich jeder dann noch Fleisch leisten? Vielleicht mit Fördermitteln, die die Linke dann wieder fordern wird." Birte Schellmann, FDP

"Lüneburg hat dafür nicht die wirtschaftliche Kraft, also kann man die Debatte auch beenden." Dr. Eberhard Korthaus, AfD

"Das Ganze funktioniert ja nur, weil pausenlos Recht gebrochen wird." Christoph Podstawa, Linke

 

◼︎ Nachbohren bei der Grundwassernutzung
Die Lüneburger Bürgerinitiative "Unser Wasser" hat in den letzten Wochen nicht nur Coca-Cola mächtig unter Druck gesetzt, auch Rat und Verwaltung sahen sich plötzlich gezwungen, beim Thema Grundwassernutzung vielleicht doch mal etwas genauer hinzuschauen. So stand das Thema gleich dreimal auf der Tagesordnung, einmal als Anfrage der Grünen zur Regenwassernutzung in Lüneburg, ein zweites Mal als Antrag ebenderselben mit dem Titel "Unser Trinkwasser gehört uns - nicht Coca-Cola" und ein drittes Mal als ein von der Verwaltung eingebrachter "Grundsatzbeschluss des Rates für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Grundwassers und einen sparsamen Umgang mit Trinkwasser". Zentrale Punkte dabei: Es soll darauf hingewirkt werden, dass die Kommunen selbst mehr Möglichkeiten bekommen, die Entnahme von Grundwasser in ihrem Bereich zu steuern. Und: Per Wasserentnahmegebühr soll ein sparsamerer Umgang mit der Ressource Wasser angestrebt werden. Der Beschluss wurde einstimmig angenommen.

"Man sollte nicht nur Coca-Cola, sondern auch die Unternehmen Lohmann und Marwitz auffordern, über einen sparsamen Umgang nachzudenken." Dr. Gerhard Scharf, CDU

"Es ist nicht immer sinnvoll, auf sandigen Böden Rüben anzubauen und diese dann bewässern zu müssen." Dr. Gerhard Scharf, CDU

"Deutschland hat genug Wasser, nur nicht immer zur richtigen Zeit und am richtigen Ort." Dr. Gerhard Scharf, CDU

"Ich glaube, dass bestimmte Nutzer zu wenig bezahlen." Hiltrud Lotze, SPD

"Es ist bedauerlich, dass erst die Bürgerinitiative kommen musste, um das Problem deutlich zu machen." Ralf Gros, Grüne

"Hier prüfen und genehmigen Behörden und nicht die Politik. Wir sind ja keine Bananenrepublik." Frank Soldan, FDP

"Wasser darf nicht alle gehen." Michèl Pauly, Linke

"Die Gewinnmaximierung von Coca-Cola ist unanständig hoch." Ulrich Blanck, Grüne

"Ich empfehle, bei Ihrem nächsten Besuch in Ihrer Kneipe mal zu schauen, ob auch Wasser in Ihrem Bier ist und wo es herkommt." Oberbürgermeister Ulrich Mädge, SPD

 

◼︎ Abgeordnete: Es bleibt bei 44
Soll die Anzahl der Ratsmitglieder künftig reduziert werden? Dies wollte die Verwaltung von den Ratsmitgliedern wissen. Anlass war eine verkürzte Fristenregelung wegen der Corona-Pandemie, die Ende des Monats ausläuft, um entsprechende Änderungen für die kommende Ratsperiode noch festlegen zu können. Es überraschte nicht, dass es dafür keine Mehrheit gab, auch wenn die Linken und die AfD sich für eine Verringerung um sechs Abgeordnete einsetzten. So werden auch nach der Kommunalwahl im Herbst kommenden Jahres wieder 44 Abgeordnete auf den Stühlen im Huldigungssaal des Rathauses Platz nehmen – sofern Corona dann nicht weiterhin andere Sitzungsorte vorschreibt.

"Der finanzielle Aufwand wäre geringer." Michèl Pauly, Linke

"Herr Pauly, Sie waren zuletzt doch der Kostentreiber." Klaus-Dieter Salewski, SPD

"Politik sollte möglichst viele Mittler haben." Ulrich Blanck, Grüne

"Die Arbeit ist da und sie wird nicht weniger werden." Frank Soldan, FDP

 

◼︎ Dunkle Wolken überm Weihnachtsmarkt
Trotz der aktuellen Corona-Entwicklung betonte Oberbürgermeister Ulrich Mädge, am Weihnachtsmarkt festhalten zu wollen. Letztlich entschieden werde dies aber am 15. November. Unter Umständen müsse das derzeit vorgesehene Konzept, das bereits Einschränkungen vorsieht, nochmals angepasst werden, erklärte Mädge. Eine komplette Absage aber wollte der Oberbürgermeister auch nicht ausschließen.