Hannover sieht keinen Anlass, auf Strabs zu verzichten – BI Dahlenburg kommentiert Antwortschreiben
Dahlenburg, 03.08.2025 - Kann Dahlenburg mit der Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeitragssatzung, kurz Strabs, rechnen? Das wollte der Sprecher der Bürgerinitiative Strabs Dahlenburg, Wilfried Reiser, von Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) wissen und hatte dazu handfeste Argumente aufgelistet (LGheute berichtete). Inzwischen liegt die Antwort der Landesregierung vor. Von einem Abschied von der Strabs ist darin jedoch nichts zu lesen. BI-Sprecher Reiser hat die Einlassungen von Hannover kommentiert.
Er sei über die Antwort der Landesregierung "nicht enttäuscht, weil meine Erwartungshaltung gering war", sagt Wilfried Reiser. Eine Antwort wie diese sei erwartbar gewesen, inhaltlich böte sich ihm ohnehin "nichts Neues". Aus seiner Sicht mangelt es Hannover weiterhin am politischen Willen zur Abschaffung der Strabs. An seiner Position zur Abschaffung der Strabs hält Reiser daher auch fest, schließlich könne die Rechtsauffassung der zehn Bundesländer, die die Satzung bereits abgeschafft haben, "doch nicht falsch sein". Zudem erhöhe eine "mantraartige Wiederholung unbewiesener Hypothesen" nicht deren Wahrheitsgehalt. Die Antwort bestärke ihn vielmehr darin, "bei den anstehenden Wahlen die ganze Empörung über diese Ungerechtigkeit auf den Wahlzetteln auszudrücken".
Reiser hatte sich am 8. Juli schriftlich an die Landesregierung gewandt und darin die Abschaffung der Strabs für den Flecken Dahlenburg gefordert – nicht für die Samtgemeinde Dahlenburg, wie LGheute zuvor berichtete. Darin hat der BI-Sprecher dargelegt, dass es "nicht sozial ist, wenn Anlieger für etwas bezahlen müssen, das ihnen nicht gehört, das von der Allgemeinheit genutzt wird, das den Beitragspflichtigen keine Sondervorteile bringt, bei dem sie kein Mitspracherecht haben und das von Land zu Land und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich umgesetzt wird".
Hannover hat dazu jetzt Stellung genommenm, die Antwort der Landesregierung kam am 28. Juli aus dem SPD-geführten Innenministerium. Nachfolgend Auszüge daraus (fett gedruck) mit den Kommentaren von Wilfried Reiser:
- …hat der Landesgesetzgeber in den letzten Jahren Regelungen geschaffen, die eine finanzielle Überforderung der Bürgerinnen und Bürger verhindern und für spürbare Entlastungen sorgen sollen…
Reiser: "Vorsorglich wurde im Konjunktiv formuliert. Diese sogenannten Entlastungen haben nichts bewirkt. §6b NKAG (Niedersächsisches Kommunalabgebengesetz; Anm.d.Red.) ist ein durchschaubares Feigenblatt, da hier nur Kann-Regeln verankert sind. Es gibt keine Rechtspflicht zur Anwendung. Es gibt indes ein sogenanntes Erdrosselungsverbot. Das Erdrosselungsverbot ist ein Grundsatz im Kontext der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben. Es besagt, dass Abgaben nur in dem Maße erhoben werden sollen, soweit sie den Abgabepflichtigen nicht 'erdrosseln' und ihm somit die Möglichkeit zur freien persönlichen und wirtschaftlichen Entfaltung nehmen oder unverhältnismäßig stark einschränken. Im Philosophenweg in Hann. Münden sollten pro Grundstückseigentümer bis zu 200.000 Euro erhoben werden. Das ist klassische Erdrosselung. Das ist die Realität, wenngleich ein Einzelfall in der Höhe der Maßnahme. Wie der aktuelle Stand ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Zahlungen im 5-stelligen Euro-Bereich sind indes Standard. Und das in einem Intervall von ca. 30 Jahren."
- Gemäß der aktuellen Gesetzesfassung sind Ratenzahlungen voraussetzungslos zu einem Zinssatz möglich, den die Kommunen mit bis zu 3 % über dem jeweiligen Basiszinssatz festsetzen können.
Reiser: "Die Verrentung über 20 Jahre mit 3% über dem Basiszinssatz, früher Diskontsatz, ist eine Kann-Regel. Es besteht auch hier kein Rechtsanspruch. Gemeinden sind kaum gewillt, Bankenfunktion zu übernehmen. Der Basiszinssatz beträgt zum 1.7.2025 2,15%. Eine Umfrage des Bundes der Steuerzahler aus 2021 hat ergeben, dass nur 8,5% der Gemeinden, die geantwortet haben, von dieser Ratenzahlungsmöglichkeit Gebrauch machten (259 von 942 haben geantwortet, davon 8,5%)."
- Ihr Einwand, dass Anlieger für Einrichtungen zahlen sollen, die ihnen nicht gehören und von der Allgemeinheit genutzt werden, ist aus Ihrer persönlichen Betroffenheit heraus nachvollziehbar.
Reiser: "Das ist eine Unterstellung. Es geht nicht vordergründig um meine persönliche Betroffenheit oder Befindlichkeit, sondern es geht um den möglichen finanziellen Ruin abertausender Betroffener, auch generationsübergreifend."
- Die Möglichkeit der Verrentung nach § 6b Abs. 4 NKAG stellt keine Kreditvergabe im Sinne des privaten Wirtschaftsrechts dar, sondern eine abgabenrechtlich zulässige Zahlungsform zur streckungsweisen Tilgung einer bestehenden Beitragsschuld. Sie ist ebenfalls als Maßnahme zur sozialverträglichen Ausgestaltung der Beitragserhebung konzipiert und dient insbesondere der finanziellen Entlastung der Beitragspflichtigen.
Reiser: "Was nützt eine Möglichkeit, die von den Kommunen nicht oder nur in geringem Umfang angeboten wird? Es droht mit diesem Argument jeglicher Bezug zur Realität zu entgleiten. Welchen Wert hat die Aussage der sogenannten sozialverträglichen Ausgestaltung der Beitragserhebung, wenn eine Zwangsvollstreckung im Falle des Nicht-zahlen-Könnens droht. Dem Beitragspflichtigen verbleiben vier Wochen nach Bescheideingang zur Geldbeschaffung. Das ist nicht sozialverträglich, das ist im höchsten Maße eine zynische Missachtung von Moral."
- …ist der Straßenausbau in Wohngebieten oft ein individuell zurechenbarer Vorteil, der vor allem den direkten Anliegern zugutekommt.
Reiser: "Der tatsächlich durch die Verkehrsinfrastruktur Bevorteilte ist der Nutzer der Verkehrsanlagen. Also die Allgemeinheit. Jeder kann die Straßen nutzen, nicht nur der Grundstückseigentümer. Auch der Mieter."
- Während Schulen, Krankenhäuser und Feuerwehrhäuser zentrale Einrichtungen der Daseinsvorsorge sind, deren Nutzung allen Bürgerinnen und Bürgern offensteht, ist der Straßenausbau in Wohngebieten oft ein individuell zurechenbarer Vorteil, der vor allem den direkten Anliegern zugutekommt.
Reiser: "Entweder ist der Straßenausbau immer oder nie ein individuell zurechenbarer Vorteil. Aber 'oft' ist ein schwammiges Hilfsargument. Selbstverständlich gehört auch die Straßeninfrastruktur zur Daseinsvorsorge und kann der Willkür geschuldet nicht ausgeklammert werden. Die Finanzwissenschaft zählt sie, wie die meisten öffentlichen Leistungen, zu den 'öffentlichen Gütern', die gerade wegen des Gemeingebrauchs aus dem Steueraufkommen zu finanzieren sind."
- Anders als bei Bildung oder Gesundheit, wo der Nutzen personenbezogen ist, liegt bei Straßen ein grundstücksbezogener Vorteil vor – etwa durch bessere Erreichbarkeit, Nutzbarkeit oder potenzielle Wertsteigerung.
Reiser: "Welch ein Widerspruch. Unter Top 5 wird fälschlicherweise behauptet, dass den direkten Anliegern ein Vorteil zugutekommt. Also personenbezogen. Jetzt aber wird der personenbezogene Nutzen reduziert auf Bildung oder Gesundheit. Bei Straßen wird er einfach umgedeutet in einen grundstücksbezogenen Vorteil. Es gibt auch keine Wertsteigerung des Grundstücks. Im Umkehrschluss würde es auch bedeuten, dass ein Grundstück an Wert verliert, wenn eine Straße verrottet. Beide Annahmen sind wirklichkeitsfremd. Die Erreichbarkeit der Grundstücke durch Nutzung der Straßen wurden durch die einmaligen Erschließungskosten, die bis zu 90% der Baukosten betrugen, von den Grundstückseigentümern bereits bezahlt. Danach ging per Widmung die Straße in das Eigentum der Gemeinde über. Sie ist somit auch Baulastträger. Entsteht ein Wertverlust durch Nutzung, so entsteht ein Wertverlust für den Eigentümer und nicht für die Nutzer."
- Öffentliche Mittel sind begrenzt…
Reiser: "Nicht nur öffentliche Mittel sind begrenzt, auch private Mittel. Völlig außer Acht gelassen wird die finanzielle Leistungsfähigkeit der Anlieger. Die Satzung trifft heute überwiegend Arbeiter, Angestellte und Rentner in selbst bewohnten Eigenheimen, die sich eine Altersvorsorge erarbeitet haben, die nun droht wegzubrechen. Die monatliche Durchschnittsrente betrug im Juli 2024 etwa 1.565 Euro netto. Die Samtgemeindebürgermeisterin in Dahlenburg ist in die Besoldungsgruppe B1 eingruppiert, das sind monatlich mit Zulagen mehr als 8.000 Euro. Da kann man leicht Wasser predigen und Wein trinken."
- Die bloße Existenz abweichender Regelungen in anderen Ländern begründet weder eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 GG ...
Reiser: "Hat das Grundgesetz für Niedersachsen keine Gültigkeit? Unsere Verfassung verpflichtet den Gesetzgeber, die Rahmenbedingungen für gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen. GG Artikel 3, Absatz 1 'Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich' und GG Artikel 72 Absatz 2 '…Herstellung gleicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet...'."
- Eine von Ihnen dargestellte mögliche doppelte Belastung durch Grundsteuer B und Straßenausbaubeiträge liegt nicht vor….
Reiser: "Auf der Seite des Bundesministeriums der Finanzen steht zu lesen: Die durch die Grundsteuer erzielten Einnahmen fließen ausschließlich den Städten und Gemeinden zu. Derzeit sind es über 15 Mrd. Euro jährlich. Damit zählt die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden. Diese Mittel benötigen die Gemeinden, um damit Schulen, Kitas, Schwimmbäder oder Büchereien zu finanzieren und wichtige Investitionen in die örtliche Infrastruktur wie Straßen, Radwege oder Brücken vorzunehmen. Zitat Ende. Ich bin des Lesens mächtig. Niemand wird durch wohlfeile Argumentationsführung an meiner Lesefähigkeit rütteln können. Grundsteuer B plus Straßenausbaubeiträge = Doppelbelastung."
Die komplette Antwort des Innenministeriums kann hier eingesehen werden.