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Wo sind die Gelbwesten?

Uni Lüneburg irritiert mit Studie über die Gefahr steigender Spritpreise

Diesel-Kraftstoff ist aktuell deutlich teurer als Benzin. Sozial ungerecht? Foto: LGheute Lüneburg, 13.10.2022 - Mit einer verheißungsvollen E-Mail-Überschrift zog die Lüneburger Universität heute die Aufmerksamkeit auf eine Studie eines ihrer Professoren auf sich. "Kann die Energiesteuer in Deutschland zu einer Gelbwesten-Bewegung führen" lautet der Titel mit Anspielung auf die heftigen Reaktionen, die die geplante Erhöhung der Spritpreise in Frankreich ausgelöst hatten. Leider war in dem nachfolgenden Text dazu nichts mehr zu hören.

Die hohen Spritpreise machen den Autofahrern nicht erst seit Beginn des Ukraine-Krieges zu schaffen. Grund ist unter anderem die 2021 von der Bundesregierung auf den Verkehrssektor ausgedehnte CO2-Bepreisung. Sie zielt darauf ab, den Ausstoß dieses klimaschädlichen Gases zu senken. Können die auch künftig weiter steigenden Spritkosten also ähnliche soziale Folgen wie die Gelbwesten-Proteste in Frankreich auslösen?

Die Antwort bleibt die in der E-Mail vorgestellte Studie allerdings schuldig. Der Studienverfasser, VWL-Professor Dr. Mario Mechtel von der Uni Lüneburg, hat zusammen mit zwei Kollegen vom Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik lediglich untersucht, welche Einkommensgruppen von einem CO2-Preis besonders betroffen sind. "Dabei zeigte sich: Es gibt Möglichkeiten, die Treibhausgasemissionen im Straßenverkehr so zu besteuern, dass es zu keiner unverhältnismäßigen Belastung für Haushalte mit niedrigem Einkommen kommt."

◼︎ Benzin-Autos werden höher besteuert als Diesel-Fahrzeuge

Das entscheidende Wort, das hierbei fällt, lautet "unverhältnismäßig". Denn die Wissenschaftler haben für ihre Studie lediglich untersucht, wie sich die weitere Erhöhung des CO2-Preises insbesondere für die Bezieher niedrigerer Einkommen auswirkt. Dabei sind sie davon ausgegangen, dass die aktuelle Energiesteuer sich für Autofahrer am Kraftstoffverbrauch bemisst und einen Liter Benzin höher besteuert als einen Liter Diesel. Laut Studie belastet dieses Modell untere Einkommensgruppen leicht überproportional. "Das hängt vor allem damit zusammen, dass sie die höhere Besteuerung von Benzin stärker trifft, denn benzingetriebene Fahrzeuge sind in dieser Gruppe weiter verbreitet", so die Uni-Darstellung. Die geringere Besteuerung von Diesel wirke sich hingegen vor allem für höhere Einkommensgruppen positiv aus. Dort seien dieselbetriebene Fahrzeuge besonders häufig vertreten.

Um diese Schieflage auszugleichen, zeigen die Wissenschaftler einen anderen Weg der Besteuerung auf. So soll die Energiesteuer dann nicht mehr pro Liter Kraftstoff berechnet werden, sondern sich an der Menge des ausgestoßenen CO2 orientieren – unabhängig davon, ob es durch die Verbrennung von Benzin oder Diesel entsteht. "Da Dieselkraftstoff bei der Verbrennung eine größere Menge des klimaschädlichen Gases freisetzt, würde dieser Ansatz dazu führen, dass die bisherige Besserstellung des Dieselkraftstoffs entfiele und die Belastung sich besser verteilte. Die Haushalte mit den unteren 60 Prozent der Einkommen würden im Durchschnitt durch diese Reform entlastet", teilte die Uni mit.

◼︎ Belastungen sollen sozial gerecht sein

"Uns hat interessiert, inwieweit eine stärkere Belastung sozial gerecht erfolgen kann. Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass auch eine recht starke Erhöhung des CO2-Preises nicht zu einer überproportionalen Belastung der Bezieher niedrigerer Einkommen führen müsste", fasst Prof. Mechtel das Ergebnis der Studie zusammen.

Fazit: In der Studie geht es also nicht um die spannende Frage zur Möglichkeit einer deutschen Gelbwesten-Gefahr mit hohem gesellschaftlichen Sprengstoff, sondern um eine sozial gerechtere Verteilung der weiter steigenden Spritkosten. Denn nicht die Verteilungsgerechtigkeit treibt die Menschen im Lande zuvorderst um, sondern die ihre grundsätzliche Überforderung durch immens hohe Spritkosten. Es wäre schön, wenn sich die Uni-Professoren auch dazu einmal äußern würden.

Die Studie ist erschienen im Journal Energy Economics, Vol. 114 (2022) https://doi.org/10.1016/j.eneco.2022.106290