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Fahrstuhlfonds

20.03.2016 - Es klingt bombastisch, und man ist geneigt, den Hut zu ziehen. 42 Millionen Euro – laut jüngsten Pressemitteilungen sogar 85 Millionen Euro – will die Stadt Lüneburg in den kommenden Jahren in die Hand nehmen und einen Bildungsfonds auflegen. Was auf den ersten Blick wie die rettende Einsicht in die dringend erforderliche Verbesserung der schulischen Ausbildung nachfolgender Generationen aussieht, ist in Wirklichkeit ein gigantisches Betrugsprojekt: Denn statt in Bildung investiert die Stadt lediglich in Gebäude. Was anderes dürfte sie auch gar nicht. Der sogenannte Bildungsfonds ist eine Investition in Fahrstühle, nicht in Köpfe.

Energiesparlampen, selbstspülende Toiletten, Fahrstühle für Inklusionsschüler, die gern überall, nur nicht in der Einheitsschule wären, barrierefreie Klassenzimmer, aufgewärmte einheitliche Mittagspampe nach der sechsten Stunde und ein Schulkonzept, das sich Ganztagsschule nennt, in Wirklichkeit aber verordneter Zwangsaufenthalt zur Beaufsichtigung von Kindern berufstätiger Mütter ist – die Stadt mutet ihren Bürgern einiges zu, wenn sie ihnen glauben machen will, sie täte etwas für die Bildung ihrer Kinder.

Das Gegenteil ist der Fall. Denn das Geld, das die Stadt für ihr Bauprogramm in die Hand nehmen will, fehlt stattdessen an anderen Stellen. So könnte sie, sollte sie es mit der Bildung wirklich ernst meinen, außerschulische Angebote schaffen, die auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten sind. Denn eines verwundert schon: Zwar wird zu Recht die Einzigartigkeit jedes Einzelnen, der Mensch als Individuum mit ganz eigenen Stärken, Qualifikationen, Anlagen und Wünschen immer wieder hervorgehoben, die Schule selbst aber bleibt mit ihrem vereinheitlichenden Bildungsansatz hinter diesem Ideal meilenweit zurück. 

Hier könnte und sollte die Stadt tätig werden. Etwa durch Förderung von qualifizierten, nachmittäglichen, außerschulischen Angeboten, die über die reine Kinder-Betreuung hinausgehen. Nicht mit Sozialhilfsarbeitern oder Halblehrern, die auf staatliche Alimentierung hoffen und jeden unausgegorenen, kultusministeriellen Blödsinn widerspruchslos hinnehmen – also nicht mit Staatsdienern –, sondern mit Fachleuten, die in der Lage sind, Kinder und Jugendliche für ein Thema zu begeistern, für das sie vermutlich ohnehin schon längst brennen. Nicht Nachhilfe-Unterricht und nicht Bespaßung, sondern Vermittlung von Kenntnissen und Wissen durch gemeinsames Arbeiten und Ausprobieren. Lernen aus Lust und Neugier. Und zwar je nach Fähigkeit, denn nur dann fühlen sich Schüler auch angesprochen.

Um einem Einwurf gleich zuvor zu kommen: Der Pisa-Schock zeigte nicht auf, dass in Deutschland schon immer etwas falsch lief. Er zeigte vielmehr auf, dass in den letzten Jahren zuvor einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Deutschland hat es nach dem Zweiten Weltkrieg geschafft, sich mit an die Spitze der führenden Wirtschaftsnationen zu setzen. Erst in den letzten Jahren ging es mit dem Bildungsniveau stetig bergab, immer lauter wurden die Klagen von Betrieben, Unternehmen und Universitäten über die mangelhaften Kenntnisse deutscher Schulabgänger. Dass da in den Schulen etwas schief gelaufen sein muss, liegt auf der Hand.

Nun kann und darf die Stadt nicht in die Schulbildung eingreifen, das obliegt einzig und allein den Ländern. Leider. Doch den Lüneburgern den Einbau von Fahrstühlen oder die Errichtung von Rampen als Bildungsleistung zu verkaufen, ist dann doch etwas dicke. 

Übrigens: Eine Raabe-Schülerin berichtete neulich, sie und viele ihrer Klassenkameradinnen und Klassenkameraden seien gerade wegen der besonderen Atmosphäre genau zu dieser Schule gegangen. Die Schule habe etwas Würdiges, ein Gesicht und Charakter. So wie Individuen. Die zugegeben überholungsbedürftigen Klassenräume seien ihr und den anderen eher egal. 

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Nachschub für Grundstein-Kassette"