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Premium- oder Pleite-Route?

Stadt und Kreis wollen eine bestehende Radroute zwischen Lüneburg, Adendorf und Scharnebeck mit Millionen-Aufwand verschönern

Wo auch immer die 'Premium-Radroute' verlaufen wird, sie wird auf jeden Fall teuer. Foto: LGheuteLüneburg, 12.05.2024 - Stadt und Landkreis Lüneburg ächzen unter hoher Schuldenlast. Die Stadt weist für dieses Jahr ein Defizit von knapp 50 Millionen Euro aus, der Landkreis kommt auf ein Minus von 22 Millionen Euro – Geld, das beide nicht haben, aber ausgeben. Zeit also, den Gürtel enger zu schnallen und sich auf die wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren? Nicht so Stadt und Kreis. Sie wollen eine bestehende Radverbindung zur "Premium-Radroute" machen und dafür viel Geld ausgeben.

Von Lüneburg mit dem Fahrrad nach Adendorf zu kommen und weiter nach Scharnebeck, ist für Ortskundige kein Problem. Die Route führt entlang vorhandener Radwege, mal ausgebaut, mal weniger wie beim Abschnitt durchs Lüner Holz. Für Stadt und Kreis ist das offenbar nicht genug, sie möchten, dass die Route "breiter, sicherer und ganzjährig befahrbar" wird, wie es in den Vorlagen für die geplante "Premium-Radroute" heißt. Rund 4,7 Millionen Euro sind dafür nach aktueller Schätzung veranschlagt, ein Betrag, der sich in den nächsten Jahren sicher noch deutlich erhöhen dürfte.

◼︎ Verwaltung doch nicht ausgelastet? 

Warum Stadt und Kreis sich das Projekt auf die Fahnen geschrieben haben, ist auf den ersten Blick schwer verständlich. Denn es mangelt dafür nicht nur an den nötigen Haushaltsmitteln, auch die Personalkapazitäten in der Verwaltung dürften dafür nicht vorhanden sein, wie insbesondere bei anderen und vor allem politisch weniger geschätzten Projekten aus dem Rathaus und der Kreisverwaltung immer wieder zu hören ist. 

Und noch ein Weiteres lässt an der Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens zweifeln: der Bedarf für dieses Millionen-Projekt. Denn Stadt und Kreis halten sich mit Daten zur gegenwärtigen Nutzung der Route bedeckt – vermutlich, weil es dazu entweder keine Zahlen gibt oder weil sie so schlecht sind, dass man sie besser für sich behält. Auch das Argument, viele Schüler nutzten die bestehende Route, zieht nicht wirklich, da sich die meisten von ihnen der kostenlosen Schülerbeförderung per Bus erfreuen dürften.

Zielgerichtet wäre es daher, den kostspieligen Ausbau der Route mit einem Wegfall der Schülerbeförderung auf dieser Strecke zu kombinieren. Das würde nicht nur der Gesundheitsförderung der Schüler zugute kommen, damit könnte auch das Projekt refinanziert werden, zumindest teilweise. In den oberen Verwaltungsetagen, wo lieber politisch statt wirtschaftlich gedacht wird, scheinen solche Überlegungen jedenfalls noch nicht angekommen zu sein. 

◼︎ Kein Schutz bei Dunkelheit

Auch aus einem anderen Grund erscheint es fraglich, ob die "Premium-Radroute" besser angenommen wird als die bestehende Route, zumindest in der Verbindung Lüneburg - Adendorf: Weil sie nicht parallel zur vielbefahrenen B209 (Artlenburger Landstraße), sondern weiterhin durchs Lüner Holz geführt werden soll, wollen Stadt und Kreis den Abschnitt dort während der Dunkelheit beleuchten. Das aber stößt bei Umweltschutzverbänden auf Widerstand. Aus der Projekt-Ankündigung "sicherer" dürfte es damit wohl nichts werden. 

Hinzu kommt, dass der Landkreis aktuell die direkten Radwege zwischen Scharnebeck und Lüneburg ausbaut, ebenfalls mit hohem Kostenaufwand. Warum die Scharnebecker künftig also den Umweg über Adendorf machen sollten, ist nicht ersichtlich. Die groß angekündigte "Premium-Radroute" könnte sich damit eher zur "Pleite-Route" für Stadt und Landkreis entwickeln. 

◼︎ Radfahrer-Lobby setzt sich durch

Und was ist eigentlich mit den schlaglochübersäten Straßen in Stadt und Kreis? Hier werden häufig nur bescheidene Ausbesserungsarbeiten vorgenommen, oft auch nur ein Tempolimit-Schild aufgestellt, um nicht wegen Unterlassung der Verkehrssicherungspflicht in Haftung genommen zu werden. In Lüneburg selbst mag der Umstieg aufs Fahrrad oder den ÖPNV ja vielleicht noch gehen, für Landbewohner aber ist ein Verzicht aufs Auto bei der derzeitigen Anbindung an den ÖPNV nahezu ausgeschlossen. Starke Stimmen, die sich für den Ausbau und den Erhalt der Straße einsetzen, sind allerdings kaum zu hören. 

Unterm Strich bleibt: Es finden sich kaum vernünftige Argumente für den Bau der neuen Premium-Route. Damit bleibt nur ein politisches Motiv für den sich aller Voraussicht nach ankündigenden Steuermittelverschwendungsskandal: Der stets furchtsame Blick der politischen Verwaltungen auf die Radfahrer-Lobby, die inzwischen fast wöchentlich mit neuen Aktionen und Demonstrationen auf sich und die Wünsche ihrer überschaubaren Klientel aufmerksam machen will. 

◼︎ Info-Veranstaltung am 4. Juni

Wie Stadt und Kreis diese und andere Bedenken ausräumen wollen, können Interessierte bei einer Informations- und Beteiligungsveranstaltung am Dienstag, 4. Juni, ab 17 Uhr in der Grundschule Adendorf im Weinbergsweg 9 erfahren, zu dem die betroffenen Gemeinden einladen. Und wer will, kann die Route Lüneburg - Adendorf am selben Tag gemeinsam mit dem ADFC Lüneburg abfahren. Ab 16.30 Uhr geht es gemeinsam mit dem Fahrrad vom Marktplatz Lüneburg aus zur Informationsveranstaltung und abends wieder zurück.

Interessanter wäre es vermutlich gewesen, diese Route am 23. Dezember zu befahren – dann, wenn es nicht nur kalt und vielleicht verschneit, sondern um diese Uhrzeit bereits auch stockdunkel im Lüner Holz ist.