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"Veraltet, kaputt und hoffnungslos überlastet"

Hamburg, Hannover und Lüneburg appellieren an den Bundestag, dem Bau einer neuen Bahnstrecke zuzustimmen

Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und Oberbürgermeister Benit Onay (r.) stellen sich gemeinsam mit Lüneburgs Landrat Jens Böther im Neuen Rathaus von Hannover den Fragen der Journalisten. Foto: Stadt LüneburgLüneburg, 07.11.2025 - Noch ist offen, ob Norddeutschland die dringend benötigte Neubau-Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover bekommen wird oder lediglich eine Teilerweiterung der Bestandsstrecke. Die Bahn selbst hat sich für einen Neubau ausgesprochen, entschieden wird darüber aber im Bundestag. Und weil der Tag der Entscheidung näher rückt, haben heute Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), der hamburgische Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne) in einer Pressekonferenz im Neuen Rathaus in Hannover ihre Forderung nach einem Neubau bekräftigt.

Die drei Politiker verdeutlichten, dass eine Neubaustrecke aus ihrer Sicht für Norddeutschland und die Verkehrswende insgesamt unverzichtbar sei. Sie berufen sich dabei auf Untersuchungen der DB InfraGO, wonach ein gut funktionierendes Netz mit pünktlicher Zugverbindung in der Heideregion nur durch zwei zusätzliche Gleise zu erhalten sei und für Pendler der ländlichen Region sowie der Metropolregion und den Deutschlandtakt nötig sei.

Ihre Forderung haben die Städte Hannover, Hamburg und Lüneburg in einem Schreiben an die Abgeordneten des Bundestages unterstrichen. Zu den Unterzeichnern gehört auch Hamburgs erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher (SPD).

Der Ausbau der Bestandsstrecke lediglich um ein einzelnes zusätzliches Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen, wie er von den Befürwortern der Alpha-E-Variante gefordert wird, bringe aus Sicht der drei Städtevertreter lediglich eine Kapazitätserhöhung von 20 Prozent statt 50 Prozent wie bei einer Neubautrasse. Engpässe und damit Verspätungen würden bleiben.

Ein weiter Nachteil dieser Bauvariante sei die Einbeziehung von "vielen Grundstücken mit Häusern", auch müssten Naturschutzgebiete in Anspruch genommen werden müssen. Mit anderen Worten: Bei einem Ausbau müssten Häuser abgerissen werden. Zudem wäre die Bestandsstrecke jahrelang beeinträchtigt.

◼︎ "Brisanz des Klimawandels berücksichtigen"

Oberbürgermeister Belit Onay erinnerte daran, dass die Überlegungen, auf einen Neubau zu verzichten, noch aus einer Zeit stammten, "bevor die Brisanz des Klimawandels in allen Köpfen angekommen war. Und auch aus einer Zeit, in der der Deutschlandtakt noch nicht beschlossen war". Nicht nur für Hannover wäre ein Neubau ein "enormer Gewinn", auch der Heidekreis und der nördliche Landkreis Celle würde dadurch gestärkt, Pendlern das Leben erleichtert. "Wenn wir es ernst meinen mit dem Ausbau der Schiene, dann müssen wir ernsthaft über leistungsfähige Neubaustrecken, eine zügige Sanierung der Bestandsstrecken und über eine Stärkung des Nahverkehrs reden. Auch, damit noch mehr Güterverkehr mit dem Hamburger Hafen über die Schiene abgewickelt werden kann."

◼︎ "Schluss mit zehn Jahre alten Kompromissen"

Auch Claudia Kalisch nahm sich die Neubau-Gegner vor. "Schluss mit längst widerlegten Versprechungen aus Alpha-E. Schluss mit einem politisch verklärten Blick auf zehn Jahre alte Kompromisse", sagte die Oberbürgermeisterin. Die Strecke Hannover-Hamburg sei derzeit zu 147 Prozent ausgelastet und damit absolut überlastet. Die Folge: mangelnde Kapazitäten und unzuverlässige Verbindungen. "Das geht zulasten der Menschen und der Entwicklung in der Region Lüneburg." Abhilfe schaffe nur eine Neubaustrecke, die Kalisch als "Quantensprung" bezeichnete. Dafür sei aber "unabdingbar, dass Lüneburg als Oberzentrum weiter an das Fernverkehrsnetz angebunden bleibt".

◼︎ "Einfache Wahrheiten anerkennen"

Der zur Pressekonferenz in Hannover zugeschaltete Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks forderte mehr Realitätssinn in der Debatte ein. "Es wissen doch alle: Die jetzige Strecke Hamburg – Lüneburg – Hannover ist veraltet, kaputt und hoffnungslos überlastet. Darunter leiden jeden Tag der Metronom, die Pendler und der Fernverkehr. Hamburg möchte endlich eine bessere Anbindung der Menschen in der südlichen Metropolregion, und wir glauben, dass das eigentlich auch alle Menschen in der südlichen Metropolregion wollen."

Dazu, so Tjarks weiter, müsse aber auch "eine einfache Wahrheit" anerkannt werden: "Das geht nur mit zwei zusätzlichen Gleisen. Das geht nur mit der Neubaustrecke." Klar sei aber auch, dass es "keine einseitige Belastung für den Landkreis Harburg und des Heidekreises" geben dürfe. Zudem sieht er auch Hamburg in der Pflicht für einen besseren Regionalverkehr im Süden der Elbmetropole. "Das bedeutet konkret, dass wir zusammen mit dem Bund daran arbeiten werden, mehr Brücken über die Süder- und die Norderelbe zu bauen – das erste Mal seit fast 100 Jahren."

Über die Zukunft der Trasse befindet letztlich der Bundestag. Die Deutsche Bahn geht davon aus, dass eine Entscheidung Ende 2025, Anfang 2026 getroffen wird.

 

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