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Blinken allein reicht nicht

OLG Celle urteilt zu Unfall zwischen einem Pkw und einem anfahrenden Bus

Celle, 22.11.2021 - Jeder kennt die Situation: Ein an einer Haltestelle wartender Linienbus blinkt plötzlich und fährt los. Das erlaubt die Straßenverkehrsordnung zwar auch ausdrücklich, doch Situationen wie diese führen nicht selten zu Uneindeutigkeiten, die auch schon mal in einem Unfall enden. Doch wer ist schuld? Das Oberlandesgericht hat an einem konkreten Beispiel entlang entschieden, dass Busfahrer keinen Freifahrtschein haben. 

Dem Gericht lag für seine Entscheidung diese Situation zugrunden: Als ein Pkw im November 2019 in Verden an einer Haltestelle an einem Bus vorbeifahren wollte, fuhr dieser auf die Fahrbahn auf. Noch beim Anfahren des Busses stießen die Fahrzeuge zusammen; es entstand ein Schaden von gut 10.000 Euro. Der Busfahrer behauptete zwar, den linken Blinker eingeschaltet zu haben, konnte das aber nicht beweisen.

Der unter anderem für Streitigkeiten in Folge von Verkehrsunfällen zuständige 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat jetzt mit Urteil vom 10. November 2021 entschieden, dass der Busunternehmer dem Halter des Pkw den überwiegenden Teil seines Schadens ersetzen muss (Az.: 14 U 96/21). Paragraph 20 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung schränke zwar den Vorrang des fließenden Verkehrs ein, so dass eine Behinderung durch das Anfahren eines Busses hinzunehmen ist. Dafür muss der Fahrer eines Busses aber den Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig setzen und sich vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht stark bremsen müssen, erklärt das Gericht.

Bislang ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, wer in welcher Höhe haftet, wenn dieser Ablauf nicht mehr sicher aufzuklären ist. Grundsätzlich wird ein Verschulden des Einfahrenden vermutet, hier also des Busfahrers. Das Oberlandesgericht Celle hat entschieden, dass diese Vermutung nur dann entkräftet ist, wenn der Busfahrer beweist, dass er sich richtig verhalten hat. Weil er das im vorliegenden Fall nicht konnte, muss der Busunternehmer den überwiegenden Teil des Schadens ersetzen.

Das Gericht nahm aber auch den Paragraphen 20 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung in den Blick. Dieser bestimme zwar weiter, dass an haltenden Omnibussen nur vorsichtig vorbeigefahren werden darf, insbesondere nur mit mäßiger Geschwindigkeit, im Einzelfall auch nur mit Schrittgeschwindigkeit. Hier stand aber aufgrund eines Gutachtens fest, dass der Pkw nur mit 30 km/h an dem Bus vorbeigefahren war. Deshalb führte nur die sogenannte Betriebsgefahr des Pkw dazu, dass dessen Halter ein Viertel des Schadens selbst tragen muss.

Insbesondere das Kammergericht in Berlin hatte in zwei früheren Entscheidungen die gegenteilige Auffassung vertreten, ein Pkw-Fahrer müsse widerlegen, dass ein Busfahrer rechtzeitig geblinkt habe. Das Oberlandesgericht Celle hat deshalb die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung zu ermöglichen.