Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch macht sich für die "Letzte Generation" stark
Lüneburg, 21.03.2023 - Mit einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundestagsfraktionen hat sich Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch in den Dienst der Klimaschutz-Organisation "Letzte Generation" gestellt. In dem Schreiben, das gestern per Fax ans Bundeskanzleramt ging, teilte Kalisch mit, dass sie die Beweggründe der Organisation "vollumfänglich" teile, deren Aktionen aber ablehne. In der Lüneburger Politik stieß ihr Vorgehen auf Unverständnis.
Der Brief geht laut Rathaus auf ein Treffen mit Vertretern der "Letzten Generation" zurück, das kürzlich im Rathaus stattgefunden habe. Dabei habe Einigkeit darüber bestanden, "dass die Existenz der Menschheit aufgrund der Klimakrise bereits jetzt akut gefährdet und die Erderwärmung unbedingt einzugrenzen ist". Oberbürgermeisterin Kalisch erklärte zudem, dass sie die Einschätzung der "Letzten Generation" und zahlreicher Wissenschaftler teile, wonach die bislang eingeleiteten Maßnahmen nicht ausreichend seien.
Uneingeschränktes Verständnis für die Klima-Organisation aber hat Kalisch offenbar nicht. "Ich möchte betonen, dass ich die Art der Proteste für gefährlich halte und diese als Eingriff in unser Rechtssystem ablehnen muss", sagt die Oberbürgermeisterin. Gleichwohl sei nun "Zeit zum Handeln", um das Überschreiten von Klima-Kipppunkten zu verhindern. "Die Zeit drängt."
Kalisch hat sich an Scholz und die Bundestagsfraktionen gewandt, weil die Forderungen der "Letzten Generation" auch Lüneburg beträfen. "Die Hansestadt Lüneburg hat sich die Ziele des Klimaentscheids zu Eigen gemacht und strebt die Klimaneutralität bis 2030 an. Insofern ist die Umsetzung der geforderten Maßnahmen auf Bundesebene auch für uns hier vor Ort relevant und notwendig!"
◼︎ "Wir haben Wichtigeres zu tun"
"Ich glaube, sie meint es gut", war die erste Reaktion von Wolfgang Goralczyk auf den Kalisch-Brief, den der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion allerdings "kopfschüttelnd" zur Kenntnis genommen habe. Das Schreiben offenbare aus seiner Sicht "ein bisschen Populismus", auch ärgere ihn, dass der "Letzten Generation" mit diesem Brief eine Plattform gegeben werde, die nicht angebracht sei. "Mit den Menschen kann man nicht reden, die sind stur."
Auch einige der in dem Brief genannten Ziele und Forderungen teilt Goralczyk nicht. "Es ist toll, wenn erklärt wird, dass Lüneburg bis 2030 klimaneutral werden will, aber wir werden es nicht schaffen. Wie soll das gehen?"
Diese Auffassung teilt auch FDP-Fraktionschef Frank Soldan: "Wir wissen alle, dass wir es nicht schaffen." Überdies hält er den Brief für überflüssig, "die dort angesprochenen Themen sind deutschlandweit alle längst bekannt". Den von der "Letzten Generation" geforderten Gesellschaftsrat, dem Kalisch sich im Übrigen nicht verschließt, lehnt Soldan ab, das sei "höchstens als beratendes Gremium" vorstellbar. Und: "Wir haben ja bereits eine Vertretung, die dafür gewählt wurde."
Auch mahnt Soldan die Politik, sich stets Gedanken über die Finanzierbarkeit der schnell mal in den Raum gestellten Forderungen zu machen. "Allein das 49-Euro-Ticket kostet viel Geld, das woanders dann fehlt."
Mit Blick auf die zahlreichen Aufgaben, die im Rathaus auf Umsetztung oder Erledigung warten, zieht Wolfgang Goralczyk dieses Fazit: "Wir haben Wichtigeres zu tun."
Der Brief an Bundeskanzler Scholz ist hier einsehbar.