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"Es gibt nichts zu beschließen"

Oberbürgermeisterin Kalisch überrascht mit Botschaften zum Haushalts-Desaster

Für Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch ist das Millionen-Defizit der Stadt keine Krise. Archiv-Foto: LGheute Lüneburg, 23.07.2025 - "Ab einer Wassertiefe von 1,20 m ist selbständig mit Schwimmbewegungen zu beginnen." So stand es in der berühmten ZDv 3/11, der Zentralen Dienstvorschrift der Bundeswehr, die heute Zentralvorschrift A2-226/0-0-4710 heißt. Was auch damals schon für Humor und Ironie sorgte, hat bei genauerer Betrachtung einen nicht unbedeutenden Kern. Denn Anweisungen wie diese haben Allgemeingültigkeit. Die Botschaft dahinter nämlich lautet: Irgendwann muss jeder sein Handeln individuell der jeweiligen Lage anpassen. Warum das hier ein Thema ist? Weil die Stadt Lüneburg davon nichts wissen will. Trotz ihres massiv anwachsenden Schuldenbergs aufgrund neu auftauchender Millionen-Löcher sieht zumindest Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch keinen Anlass, an dem ehemals beschlossenen Ausgabenprogramm irgendwas zu ändern.

"Es gibt nichts zu beschließen", ließ Kalisch die Ausschussmitglieder wissen, die am vergangenen Freitag angesichts der plötzlich bekanntgemachten Defizite von 11 Millionen Euro zusätzlich zu den ohnehin schon beschlossenen 47 Millionen Miesen, die der Rat mehrheitlich – also nicht einstimmig – im Dezember letzten Jahres beschlossen hatte, zu einer außerordentlichen Sitzung des Finanzausschusses zusammengekommen waren. 

◼︎ Jetzt sogar 67 Millionen Euro Defizit

Darin wurde nun sogar mitgeteilt, dass das Defizit nicht etwa 58 Millionen Euro betrage, sondern sogar 67 Millionen Euro, also 20 Millionen mehr als geplant. Für Kalisch aber ist selbst das kein Anlass zur Sorge. Es gebe keine Krise, die Lage in Lüneburg sei nicht anders als in anderen Städten auch: überall Defizite, sagte die Oberbürgermeiterin mit Blick auf Celle, Wilhelmshaven, Delmenhorst oder Göttingen. Städte, in denen es besser läuft, nannte sie nicht.

Ohnehin, fuhr Kalisch fort, stehe Lüneburg da, wo die Stadt 2012 schon mal war, nämlich bei einem kräftigen Minus im Haushalt, das damals letztlich mit dem "Zukunftsvertrag" – oder richtigerweise Entschuldungsvertrag – mit dem Land Niedersachsen aufgelöst wurde, indem das Land 70 Millionen Euro der Stadt spendierte. Übrigens mit Hilfe von Städten, die selbst sparsam gewesen sind und nun das Defizit der anderen unfreiwillig solidarisch mitfinanzieren durften. 

Und noch etwas gab Kalisch bekannt: Es sei vollkommen normal, dass Plan und Ist in der Haushaltsbewirtschaftung nicht übereinstimmen. Das ist zwar grundsätzlich richtig, doch macht es durchaus einen Unterschied, ob der Haushalt um zehntausend oder hunderttausend Euro vom Plan abweicht oder um 11 oder inzwischen sogar 20 Millionen Euro wie jetzt in Lüneburg.

◼︎ Projekte werden trotzdem nicht gestrichen

Immerhin sieht auch Lüneburgs Oberbürgermeisterin die Notwendigkeit, Plan und Ist "jetzt zusammenzubringen", wie sie in der Sitzung sagte. Doch wer gehofft hatte, nun würden sämtliche vom Rat beschlossenen Projekte auf den Prüfstand gestellt, sah sich getäuscht. Keine der beschlossenen Maßnahmen aus dem Bereich der freiwilligen Leistungen, also der Bereich, in dem die Stadt allein bestimmen kann, werde in Frage gestellt oder gekürzt, kein Verein müsse sich Sorgen machen, so Kalisch. Nur: Der weitere Ausbau der Fahrradstraße etwa, der den Grünen so am Herzen liegt, oder die Umgestaltung des Marienplatzes oder die Durchführung von Bürgerräten – all das hat nichts mit dem vielgepriesenen Vereinsleben in Lüneburg zu tun.

◼︎ Wer entscheidet eigentlich?

Etwas Richtiges aber sagte Kalisch auch: "Wir müssen den Haushalt auch in der Vollzugsphase stärker als bisher steuern. Rat und Verwaltung sind hier gemeinsam verantwortlich." Man kann nur hoffen, dass sie dies auch an die Adresse ihrer Grünen gemeint hat, die bislang keine Gelegenheit ausließen, jedes noch so kostspielige Fahrradprojekt in die Tat umzusetzen. Ihre Botschaft "Es gibt nichts zu beschließen" zeigt daher nicht nur, dass die Oberbürgermeisterin die Lage offenbar noch nicht erkannt hat, die Aussage ist auch anmaßend. Schließlich entscheidet nicht sie, sondern der Rat darüber, ob und was beschlossen wird. 

Übrigens: In der ZDv 3/11 stand auch: "Bei zunehmender Dämmerung ist mit Dunkelheit zu rechnen." Man kann dem Rat der Stadt daher nur empfehlen, rechtzeitig die Suchscheinwerfer einzuschalten, um nicht endgültig auf dem falschen Pfad zu landen. 

 

 

 

Kommentare  
Ein kurzer Nachtrag Zur Dienstvorschrift der Bundeswehr:
Auf den ersten Blick mag die Dienstvorschrift der Bundeswehr vielleicht etwas lustig klingen, die Formulierung hatte aber den ernsten Hintergrund, dass damit geregelt wurde ab welcher Gewässertiefe ein Durchschreiten oder Durchwaten durch Flüsse nicht mehr erlaubt war - eben ab der Tiefe, ab der man mit dem Schwimmen anfangen muss. Der Hintergrund ist, dass das Durchschreiten bzw. Durchwaten von Flüssen ab der Schwimmtiefe ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die Soldaten darstellt, welches man mit dieser Regelung einschränken bzw. unterbinden wollte.
Ich weiß aber, dass sich viele Soldaten über diesen Teil der Vorschrift immer wieder lustig gemacht haben - weil sie oftmals den Hintergrund nicht kannten.
Es gibt nichts zu beschließen. Samtgemeinde Amelinghausen lässt grüßen. Wer hat diese Frau zur Bürgermeisterin gewählt? Wo auch immer sie war.... Schulden ohne Ende und keine Konzepte der Entschuldung. In der freien Wirtschaft ist genau so etwas Insolvenzverschleppung.
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