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Wie wichtig sind Kreuzfahrtschiffe?

Niedersachsen will Meyer-Werft retten – Die Argumente der Regierung

Wirtschaftsminister Olaf Lies. Archivfoto: LGheuteHannover, 28.08.2024 aktualisiert - Die Meyer-Wert im niedersächsischen Papenburg braucht dringend frisches Geld, und davon nicht zu knapp. Die Rede ist von 2,6 Milliarden Euro, die benötigt werden, um weiter Kreuzfahrtschiffe bauen eine drohende Insolvenz abwenden zu können. Gemeinsam mit dem Bund sieht sich die niedersächsische Landesregierung als Retter in der Not – die Landesregierung, die seit Jahren nichts fürs Lüneburger Theater übrig hat und inzwischen sogar dem Veterinäramt des Landkreises Lüneburg die ihm zustehenden Mittel verweigert (LGheute berichtete). Für Niedersachsen jedenfalls ist die Meyer-Werft unverzichtbar, wie Wirtschaftsminister Olaf Lies heute in einer Regierungserklärung deutlich machte. Hier die Erklärung.

Regierungserklärung von Wirtschaftsminister Olaf Lies:

Zukunft für die Meyer Werft - Arbeitsplätze für Deutschland sichern

Die aktuelle Krise der Meyer-Werft mit dem Ziel einer Finanzierungsperspektive hält die Landes- und Bundespolitik verschärft seit Frühjahr 2024 in Atem. Gerade das Thema Schiffsbaufinanzierung beschäftigt uns schon seit geraumer Zeit.

Sie erkennen das überaus dynamische Geschehen, das immer noch nicht endgültig abgeschlossen ist, an den regelmäßigen Ausschussunterrichtungen, die ich gemeinsam mit meinem Kollegen dem Finanzminister Heere vorgenommen habe.

Die Sorge ist sehr berechtigt. Die Krise gefährdet nach den uns vorliegenden volkswirtschaftlichen Gutachten über die mit der Werft verknüpfte Wertschöpfungskette über 20.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze in Deutschland. 

Ungefähr die Hälfte der gesamten Beschäftigung entfällt dabei auf das Land Niedersachsen und das vor allem in der Region um Papenburg. Der Staat kann dabei nicht Zuschauer sein.

In dieser ganz besonderen Situation ist es die Aufgabe, ja die Pflicht des Staates und von Politik, entschlossen und mit Weitsicht Verantwortung zu übernehmen. Es geht darum, gemeinsam konkrete Schritte zur Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Werft und der Arbeitsplätze zu gehen. 

Und gleichzeitig müssen wir dabei auch die Grundlage für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Entwicklung schaffen.

Der Begriff Meyer-Werft ist ein Synonym für Qualität, Innovation und technologische Spitzenleistung im Schiffbau.

Bund und Land haben das gemeinsame Ziel die drohende Insolvenz der Meyer-Werft zu verhindern und die Werft auf ihrem Weg in eine gute, nachhaltige Zukunft zu begleiten. Wir brauchen eine sichere Perspektive für die Kolleginnen und Kollegen der Werft! 

Hierzu waren der Bundeskanzler und die Spitzen der niedersächsischen Landespolitik in der vergangenen Woche in Papenburg, um den Beschäftigten die nötige Unterstützung und Solidarität und eine Zukunftsperspektive für das Unternehmen aufzuzeigen.

Wir haben dort sichtbar gemacht, dass wir die Krise des vom Bundeskanzler als „Kronjuwel der deutschen Industrie" bezeichneten Unternehmens gemeinsam lösen werden.

Das angekündigte Engagement von Bund und Land und die Unterstützung der Fraktionen zeigen die staatspolitische Verantwortung, zu der sich Bund und Land hier ausdrücklich bekennen.

Es ist wichtig, dass dieser Prozess der Insolvenzvermeidung und Zukunftsfähigkeit der Meyer Werft transparent ist und von einer breiten politischen Mehrheit getragen wird. Hierbei ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen sowie der Union eine wichtige Grundlage. Ich möchte mich daher bereits an dieser Stelle für die stets gute Zusammenarbeit mit den Regierungsfraktionen und der CDU-Fraktion, die von Vertrauen und Vertraulichkeit gekennzeichnet war und ist, ganz herzlich bedanken.

In den nächsten Tagen stehen wichtige Entscheidungen an. Die Meyer-Werft braucht enorme Summen an Fremdkapital. Dies kann nur gelingen, wenn Bund und Land Sicherheiten geben. Und es wird auch frisches Eigenkapital benötigt. 

Das sind Entscheidungen, die ebenso gründlich wie innerhalb kurzer Zeit von vielen Fachleuten der Meyer-Werft, von Beratungsunternehmen, Fremdkapitalgebern sowie von Bund und Land erarbeitet und vorbereitet wurden und noch werden.

Diese Entscheidungen betreffen nicht nur die Zukunft eines der traditionsreichsten Unternehmen in Niedersachsen. Es sind Entscheidungen für eine ganze Region, für die Menschen und ihre Familien, die von der Meyer Werft abhängen und eben genauso über die Frage, welche Fähigkeiten und Know How wir in Deutschland im Schiffbau erhalten wollen und müssen. In einer Zeit, in der wir den Wert von Resillienz und Unabhängigkeit von Liefer- und Produktionsketten als Gesellschaft ganz neu wertschätzen lernen, sind das Entscheidungen von nationaler Tragweite.

Herausforderungen

Die Werft hatte und hat mit vielen Herausforderungen zu kämpfen.

Weltweite Covid-19-Pandemie hat Kreuzfahrtindustrie, Kernsegment der Werft, nahezu zum Stillstand gebracht.

Die Auftragslage ist eingebrochen, Aufträge wurden verschoben.

Gleichzeitig haben sich globale Lieferkettenprobleme verschärft, die Probleme betrafen nicht nur die Lieferbarkeit von Materialien, sondern führten auch zu unerwarteten und bisher nie gekannten Kostensteigerungen.

Steigende Energiepreise, die die Produktion noch mehr verteuerten, taten ihr übriges.

Aber es gab neben den externen Effekten auch interne Faktoren, die einen Teil zu den aktuellen Herausforderungen beigetragen haben.

Um diesen zu begegnen wurden (schon unter den bisherigen Gesellschaftern) wichtige und zukunftsgerichtete Entscheidungen getroffen (insb. Einsetzung eines CRO vor vier Monaten). 

Anrede, es ist mir wichtig, dass heute hier ganz deutlich zu sagen. Die Familie Meyer und ganz besonders auch Bernhard Meyer hat ein Unternehmen geschaffen, dass in seiner Branche weltweit seines gleichen sucht. 

Mir ist bewusst, dass die gefundenen Lösungen von der Familie nicht einfach zu akzeptieren waren. 

Ich bin aber auch davon überzeugt, dass diese Lösungen zwingend und für den Fortbestand des Unternehmens notwendig sind.

Volkswirtschaftliche Bedeutung

Es ist von entscheidender volkswirtschaftlicher Bedeutung, unsere industriellen Kerneinheiten zu schützen und zu fördern. 

Meyer Werft leistet enormen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung - nicht nur in Niedersachsen, sondern in ganz Deutschland.

Arbeitsplätze, die hier gesichert werden, haben einen Multiplikatoreffekt, der weit in andere Branchen hineinreicht. 

Mit ca. 3.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Werfstandorten in Rostock und Papenburg wird ein indirekter Beschäftigungseffekt deutschlandweit von über 20.000 Voll- und Teilzeitstellen geschaffen.

Von Zulieferern über den Maschinenbau bis hin zur Logistik: Meyer Werft ist Motor für zahlreiche Wirtschaftszweige und trägt damit entscheidend zu Stabilität und Wachstum bei.

Verlust der Meyer Werft würde nicht nur Tausende Arbeitsplätze in Niedersachsen gefährden, sondern auch bedeuten, dass Deutschland in einem strategisch wichtigen Sektor an Boden verliert und unsere Stellung auf dem globalen Markt geschwächt würde. 

Schiffe, die in Papenburg gebaut werden, sind Aushängeschilder deutscher Ingenieurskunst. Gerade bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen hat die Werft eine Pionierrolle übernommen. 

Die im Jahr 2018 fertiggestellte AIDAnova war das erste Kreuzfahrtschiff mit LNG-Antrieb und hat somit einen neuen Branchenstandard gesetzt. Zudem gehörte die Meyer Werft mit zu den ersten Global Playern, die erkannt haben, dass der Antrieb mit Methanol die Zukunft der klimafreundlichen internationalen Passagierschifffahrt sein wird. 

Das verkörpert Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit - Werte, die Deutschland als Industrienation prägen und weltweit eine herausragende Position sichern. 

Es geht nicht nur um ein Unternehmen, sondern es geht auch um die Wettbewerbsfähigkeit und auch den Ruf des gesamten Schiffbaustandorts Deutschland.

Das gemeinsame Ziel von Bund und Land ist, die Meyer-Werft zu erhalten und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft der Meyer-Werft zu stellen.

Zusammenarbeit mit Sozialpartnern

Ganz entscheidendes Argument für das Engagement der öffentlichen Hand ist der Erhalt von hochqualifizierten Industriearbeitsplätzen in Niedersachsen und in Deutschland und damit auch die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern.

Wichtig war und ist die enge Abstimmung mit Gewerkschaften, den Betriebsräten, sowie der Geschäftsleitung.

Die Gespräche, die geführt wurden, waren konstruktiv und zielgerichtet. 

Deutlich geworden ist, dass alle Beteiligten bereit sind, Beitrag zu leisten, um der Werft eine erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen. 

Hierbei mussten auch die Gewerkschaften und Betriebsrat schmerzhafte Entscheidungen für die Belegschaft treffen, um eine zukunftsweisende Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Die ganz wichtige Botschaft, die von dieser Einigung ausging ist, dass man auf betrieblicher Ebene, also zwischen Geschäftsführung und Beschäftigten/Betriebsrat, in der Lage ist, in diesen harten Zeiten konstruktive Lösungen zu finden. Das ist von größter Bedeutung für der Weg, der vor uns liegt.

Dabei ist klar, dass wir eine langfristige Zukunft für das Unternehmen und für die Arbeitsplätze auf der Werft, in Niedersachsen und in Deutschland sicherstellen wollen. 

An dieser Stelle möchte ich auch sagen, dass Voraussetzung für den Einstieg der öffentlichen Hand war und ist, dass das Unternehmen einen mitbestimmten Aufsichtsrat und seinen Sitz in Deutschland hat. Dort gehört er nämlich hin.

Perspektive/Zukunft

Wir sind davon überzeugt, dass die Meyer-Werft eine Zukunft hat. Deshalb arbeiten Bund, Land und auch die mit erheblichen Beträgen engagierten Fremdkapitalgeber zusammen mit der Familie daran, die Insolvenz abzuwenden. 

Meine Damen und Herren, Kreuzfahrt- und Spezialschiffbau sowie der Bau von Konverterplattformen auf der Meyer-Werft sind die Basis für die Zukunft des Unternehmens. Das hat auch der Bundeskanzler so betont, Schiffbau ist eine Schlüsselindustrie in Deutschland, die niemand so verkörpert wie die Meyer Werft mit ihrer über 200-jährigen Firmengeschichte.

Denn auch das konnte den vielen Pressberichterstattungen entnommen werden: Disney hat erst vor kurzem vier weitere Schiffe bei der Meyer Werft in Auftrag gegeben. Dieses ist an den Einstieg von Bund und Land bei der Meyer-Werft geknüpft. Es ist ein deutliches Bekenntnis zur Qualität und auch den Bedarf am Produkt „Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft".

Bund

Die Zukunftsfähigkeit der Werft und die sich hieraus ergebenen positiven volkswirtschaftlichen Effekte auf die Bundesrepublik Deutschland sind auch dem Bund bewusst.

Auch der Bund hat ein starkes Interesse, den Schiffbau als Schlüsselindustrie zu erhalten. Die Bundestagsfraktionen von SPD, Bündnis90/Die Grünen und der FDP haben sich hierzu deutlich bekannt. Auch von der CDU auf Bundesebene gibt es positive Signale und Unterstützung.

Für Bund und Land ist klar: Deutschland und Niedersachsen sind und bleiben Industriestandort!

Lösung

Die sich nun abzeichnenden Lösungen sind groß, sind umfassend, und zumindest für Niedersachsen, noch nie so dagewesen.

Es sollen Bürgschaften gemeinsam mit dem Bund gewährt werden, die - durch die finanzielle Dimension von Kreuzfahrtschiffen bedingt - ein riesiges Volumen aufweisen. Wir reden hier von rund 2,6 Mrd. Euro, die Bund und Land verbürgen sollen.  

Beihilferechtlich sind wir auch ohne zusätzlichen privaten Investor auf der sicheren Seite. Seit letztem Wochenende liegt uns der finale Entwurf für den von uns beauftragten sogenannten Private Investor Test vor. Im Ergebnis würden wir als Bund und Land mit einer Beteiligung von 400 Mio. Euro und einem Erwerb von rund 80 Prozent der Gesellschaftsanteile die europäischen Bedingungen für einen Einstieg in die Meyer-Werft erfüllen. 

Anrede, lassen sie mich hier noch einmal klarstellen: Bund und Land hatten nicht den Plan, Gesellschafter einer Werft zu werden.

Wir haben auch nicht das Ziel, langfristig Mehrheitsgesellschafter zu bleiben!

Wir bevorzugen eine erfolgreiche Zukunft der Werft in privaten Händen.

Hierzu gehört insbesondere die vereinbarte Rückkaufsoption der Familie, die natürlich die weitere Standortsicherung in Deutschland, die Erhaltung von Beschäftigung, Mitbestimmung und Guter Arbeit beinhalten muss. Auch ein Dritter wird auf die Einhaltung dieser Ziele verpflichtet werden.

Denn wir haben klare Vorstellungen, was die Sicherheit der Standorte, des Erhalts des Know Hows und der technischen Fähigkeiten und der Arbeitsplätze bei Meyer angeht.

Schluss

Bei allen positiven Zeichen ist mir heute aber auch wichtig zu sagen: es gibt noch keine endgültige Garantie, dass es klappt.

Wichtige Entscheidungen auf Ebene der Fremdkapitalgeber, der Familie Meyer und der parlamentarischen Gremien von Bund und Land sind noch zu treffen. Dafür brauchen wir Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich bin aber zuversichtlich, dass das klappen wird.

Anrede, bedanken möchte ich mich bei den Abgeordneten der Regierungsfraktionen für die großartige Unterstützung und bei den vielen Mitarbeitern des MF, der StK und meines Hauses und auch den Kolleginnen und Kollegen beim BMF, BMWK und im Bundeskanzleramt für den großen Einsatz für das gemeinsame Ziel.

Ganz besonders bedanken möchte ich mich aber auch bei Ihnen, den Abgeordneten der Union. Ihre Unterstützung ist für uns von enormer Bedeutung. Unsere enge Zusammenarbeit in diesem Projekt zeigt, dass wir uns bei allem politischen Wettbewerb, der bisweilen auch sehr hart ausgetragen wird, dann, wenn es um Niedersachsen und die Menschen geht, als demokratische Parteien aufeinander verlassen können. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rettung der Werft bleibt eine große Herausforderung. Mit den noch zu treffenden Entscheidungen machen wir gemeinsamen einen wichtigen und großen Schritt, um einen für Bund und Land wichtigen Industriestandort zu erhalten und diesem eine Perspektive zu ermöglichen. Gemeinsam geben wir ein starkes und positives Signal an die Kolleginnen und Kollegen der Werft, die Region und den Industriestandort Niedersachsen.

Vielen Dank!

 

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