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Jamaika, Epilog: Viel Lärm um Nichts

Peinlich für die Grünen: Kein Vorsitz beim angestrebten Bauausschuss und Schützenhilfe für die AfD

Weil die Grünen aus der Jamaika-Gruppe ausgestiegen waren, musste sich der Rat der Stadt knapp zwei Stunden lang mit der Neubesetzung der Ausschüsse und anderer Gremien der Stadt beschäftigen. Foto: LGheuteLüneburg, 12.12.2020 - Es war die wohl überflüssigste Ratssitzung, die Lüneburg seit langem erleben durfte. Knapp zwei Stunden ging es gestern um das politische Ego der Grünen – und damit um dieses: die Neubesetzung des Verwaltungsausschusses, die Neuwahl von drei Bürgermeistern, die Neubesetzung der Ausschüsse und: die Neubestimmung der Ausschussvorsitzenden. Jener Gruppe also, deretwegen die Grünen im Rat die Jamaika-Gruppe platzen ließ. Mit ernüchterndem Ergebnis, denn den Zankapfel, um den es dabei ging, konnten die Grünen erwartungsgemäß nicht für sich ergattern. 

"Wir wählen den Bauausschuss, Vorsitzender: Salewski". Mit dieser schmucklosen Erklärung, die Klaus-Dieter Salewski gestern Abend bei der Sondersitzung des Rates im Audimax der Universität abgab, läutete der SPD-Fraktionsvorsitzende nicht nur das Rennen um die begehrtesten Ausschussvorsitze im Rat der Stadt ein. Er ließ damit auch die letzten grünen Träume platzen, die diese sich für ihre Fraktion zu sichern hofften. Denn als stärkste Kraft, die die SPD nach dem Ende von Jamaika im Rat wieder geworden war, hatte sie das Erstzugriffsrecht auf den Vorsitz in einem der 13 Ausschüsse, die neu vergeben werden mussten. Und der von allen begehrteste ist stets der Bauausschuss.

Damit war der Vorsitz zwar nicht mehr bei dem von den Grünen verschmähten Gruppenpartner CDU, aber auch nicht bei den Grünen, die sich mit ihrem Taktieren inzwischen ins politische Abseits manövriert hatten. Denn nicht nur im Bauausschuss, in dem die Zustimmung zu dem von den Grünen partout nicht gewollten Neubaugebiet "Wienebütteler Weg" bereits gefallen ist, sondern auch im Rat dürfte die Mehrheit für das Baugebiet stehen – schließlich sind CDU und FDP an frühere Gruppenvereinbarungen ja nicht mehr gebunden.

◼︎ Grüne verhelfen AfD zu Ausschussvorsitz

Schmerzhaft auch dürfte für die Grünen sein, dass sie selbst es waren, die durch ihre Jamaika-Aufkündigung der AfD nun zu einem Ausschussvorsitz verholfen haben. Aufgrund der bisherigen Kräfteverhältnisse war der AfD ein solcher Einfluss bislang verwehrt worden. Nun wird sie sich über den nicht ganz unbedeuten Vorsitz im Finanzausschuss freuen dürfen.

◼︎ Auschlussreiche Bürgermeisterwahl

Ohne spektakuläres Ergebnis, dennoch aber aufschlussreich fiel auch die Wahl der drei Bürgermeister aus. Um es vorwegzunehmen: Christel John (CDU), Eduard Kolle (SPD) und Ulrich Löb (Grüne) wurden in ihren Ämtern bei der auf Wunsch der AfD durchgeführten geheimen Wahl zwar bestätigt. Allerdings musste Christel John sich der von den Linken vorgeschlagenen Gegenkandidatin Annika Weinert-Brieger (Linke) stellen, die immerhin 16 Stimmen auf sich vereinigen konnte – deutlich mehr, als ihre Fraktion allein aufbringen konnte. Auf John entfielen indes 22 Stimmen, gerade genug, um im ersten Wahlgang gewählt zu werden.

Auschlussreich war dieses Ergebnis deshalb, weil im Vorfeld der Ratssitzung zwischen allen Fraktionsvorsitzenden vereinbart worden war, alles beim alten zu belassen, wie Robin Gaberle (AfD) auf LGheute-Nachfrage erklärte. Gleichwohl habe er die geheime Wahl der Bürgermeister "aus taktischen Erwägungen" gefordert, will heißen: die Zuverlässigkeit der Fraktionen auf ihre vorab abgegebenen Erklärungen zu prüfen. Entsprechend eindeutig kommt da das Ergebnis der John-Wahl daher. 

◼︎ Unverständnis für grünes Taktieren

Unterm Strich blieb damit bei dem mit großem Aufwand betriebenen Politik-Tamtam der Grünen bis auf wenige, aber eher periphere Änderungen alles beim alten. Das Unverständnis über das Agieren der Grünen war dennoch groß, Jens-Peter Schultz (SPD) fasste es vermutlich für viele Ratsmitglieder zusammen, indem er abschließend allein nach den Kosten dieses grünen Unterfangens fragte – von dem zeitlichen Aufwand aller Beteiligten ganz abgesehen.

Den Rat brachte all dies jedoch nicht aus seinem inzwischen festgezurrten Trott. So debattierte er auch danach noch ausgiebigst über eine Schul-Corona-Problem-Anfrage der SPD, die eigentlich in den dafür vorgesehenen Schulausschuss gehört hätte. Es war dann Sonja Jamme (Grüne), die auf diesen Umstand hinwies und dafür sorgte, dass der Debattierwut im Rat schließlich doch noch ein Ende gesetzt wurde. 

◼︎ Drei von 21 Aufgaben erledigt

Nach rund vier Stunden war damit eine Ratssitzung beendet, bei denen die Ratsmitglieder zunächst die parteipolitischen Bauchschmerzen der Grünen auskurierten, um sich anschließend noch ein weitere Stunde einer schulpolitischen Anfrage zu widmen, die in einer Ratssitzung nichts zu suchen hat. So hatten es die 39 anwesenden Ratsmitglieder gerade mal geschafft, drei der 21 offenen Anfragen und Anträge abzuarbeiten. 

 

Bisher wurden aufgeführt:

4. Dezember 2020: "Jamaika, achter Akt: Schwarzer Peter"
3. Dezember 2020: "Jamaika, siebter Akt: Der lachende Dritte"
30. November 2020: "Jamaika, sechster Akt: Herausforderung im Bauausschuss"
29. November 2020: "Jamaika, fünfter Akt: Das Innenministerium wird eingeschaltet"
26. November 2020: "Jamaika – ein Lehrstück in mehreren Akten"
25. November 2020: Prolog "Wienebüttel lässt Jamaika zerbrechen"